Die USA bedrohen den Freihandel

In schlechten Zeiten sind alle Mittel recht. Hilfen sollen möglichst im eigenen Land bleiben.

Washington. Amerika steht an der Schwelle zu einer neuen Ära des Protektionismus. Das US-Repräsentantenhaus und der Senat haben sich inzwischen auf einen gemeinsamen Gesetzentwurf über ein staatliches Konjunkturpaket in Höhe von 789 Milliarden Dollar geeinigt. Das Konjunkturprogramm könnte noch in dieser Woche in Kraft gesetzt werden.

Mit staatlichen Ausgabenprogrammen und Steuererleichterungen soll der weltgrößten Volkswirtschaft neues Leben einhaucht werden. Doch im Feingedruckten ist eine hochumstrittene Klausel begraben, die Amerikas wichtigste Wirtschaftspartner zu Recht auf die Barrikaden treibt: An dem "Wiederaufbau" der US-Wirtschaft sollen nämlich ausschließlich amerikanische Unternehmen beteiligt sein. Die sogenannte "Buy American" ("Kauft amerikanisch") Klausel ist der stärkste, wenn auch keineswegs einzige Hinweis auf den Wunsch der US-Politiker, die heimische Wirtschaft vor ausländischer Konkurrenz zu schützen.

Präsident Barack Obama will außerdem Handelsverträge, die amerikanischen Wirtschaftsinteressen widersprechen, nachverhandeln und womöglich aufkündigen. Dazu gehören das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta, das um Arbeitnehmerstandards ergänzt werden soll. Obama und seine demokratischen Parteifreunde im Kongress bemängeln, dass Nafta in seiner jetzigen Form zur Produktionsverlagerung in das Niedriglohnland Mexiko geführt hat und somit zu hunderttausenden von Arbeitsplatzverlusten in den USA geführt hat. Auch hat die neue Regierung signalisiert, dass sie nicht zögern wird, die EU bei der WTO an den Pranger zu stellen, egal, ob es um Bananen, hormonbehandeltes Rindfleisch oder Subventionen für die Airbus Industrie geht.

Für besonderes Aufsehen sorgte in den vergangenen Tagen der "Buy American"-Passus im neuen Konjunkturgesetz. So wollte das Repräsentantenhaus lediglich ausländische Stahlhersteller von staatlich finanzierten Infrastrukturprojekten ausschließen. Freihandelsgegner im Senat gehen aber deutlich weiter. Sie wollen durchsetzen, dass sämtliche öffentlichen Aufträge, die als Folge des Konjunkturgesetzes vergeben werden, nur an heimische Unternehmen gehen.

Der globale Aufschrei hat zwar Obama dazu bewogen, zurückzurudern. "Protektionismus ist der falsche Weg, um unsere Wirtschaft aus dieser Krise herauszuführen" sagte der Präsident. Daraufhin entschärfte der Senat die Klausel und versprach, Projekte "in Übereinstimmung mit internationalen Handelsverpflichtungen zu vergeben".

Experten wie Professor Peter Morici von der University of Maryland halten die konziliante Geste an die Handelspartner aber für reine Makulatur. "Ich würde mich wundern, wenn auch nur ein einziger Dollar an Firmen aus Europa, Asien oder Südamerika geht."

Sauer sind nicht nur die Europäer. Auch in den USA ist die Angst vor einer neuen Welle des globalen Protektionismus Gegenstand heftiger Diskussionen. Anhänger des Gesetzes wie Senator Byron Dorgan argumentieren, dass "es sich um ein Programm zur Stimulierung der amerikanischen Konjunktur handelt. Folglich müssen wir sicherstellen, dass jeder Dollar, den der Staat verteilt, auch an amerikanische Unternehmen geht".

Zu den prominentesten Gegnern des neuen Protektionismus zählen ausgerechnet jene US-Unternehmen, die von dem Konjunkturgesetz auch ohne die Schutzauflagen profitieren würden, unter anderem General Electric, Caterpillar und Boeing. "Für jeden Dollar, den wir in Amerika mit den staatlichen Infrastrukturinvestitionen verdienen", so Caterpillars Cheflobbyist Bill Lane, "würde uns im Ausland, wenn dort auch die Märkte abgeschottet werden, ein Vielfaches davon verlorengehen."

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