DGB verneigt sich am 1. Mai vor den Bergleuten

In NRW findet die zentrale Kundgebung am 1. Mai in Bottrop statt — wo Ende dieses Jahres die letzte Zeche geschlossen wird.

DGB verneigt sich am 1. Mai vor den Bergleuten
Foto: dpa

Düsseldorf. Gebürtig stammt Anja Weber aus Dortmund, das Steigerlied („Glück auf, Glück auf, der Steiger kommt“) stimmt sie auch schon mal am Rande von Fortbildungen an — und jetzt redet die NRW-Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auch noch am 1. Mai auf der landeszentralen Kundgebung in Bottrop. Dort will sie Danke sagen: „Die Bergleute und ihre gelebten Werte haben das Ruhrgebiet und Nordrhein-Westfalen nachhaltig geprägt.“

Den Ort hat die Düsseldorfer Gewerkschaftszentrale nicht zufällig aus einem Angebot von landesweit 74 Mai-Veranstaltungen ausgesucht. Ende dieses Jahres wird dort mit dem Steinkohle-Bergwerk Prosper-Haniel die letzte Zeche des Ruhrgebiets geschlossen und damit eine 200-jährige Industriegeschichte beendet. In der vergangenen Woche nutzte Weber noch einmal die Gelegenheit, in Bottrop persönlich einzufahren. Seither hat sie auch den Slogan der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) im Repertoire: „Der Bergbau geht, der Kumpel bleibt.“

Mit auf der Rednerbühne stehen in Bottrop auch Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sowie Michael Vassiliadis, Bundesvorsitzender der IG BCE. Schon heute will Laschet die Abgeordneten des Landtags über den Start der Ruhr-Konferenz unterrichten, einen längerfristigen Prozess zur Stärkung der Region. Eine Idee, die von den Gewerkschaften grundsätzlich begrüßt wird. „Voraussetzung für einen erfolgreichen Prozess ist aber, dass wir die strukturellen Probleme des Ruhrgebiets tatsächlich anpacken“, sagt Weber. Die Konferenz dürfe keine Kopfgeburt werden.

Die Leuchtturmprojekte der Landesregierung und die Förderung von Start-ups, so Weber, seien „nicht viel mehr als Standortmarketing“. Damit würden Kohle und Stahl nicht ersetzt. Notwendig seien eine Entschuldung der Kommunen sowie Investitionen in Infrastruktur und Bildung. Den alten Streit über die Erfolge des bisherigen Strukturwandels im Ruhrgebiet will der DGB dabei nicht fortsetzen. „Es geht nicht um gut oder schlecht, sondern darum, dass es eine gespaltene Entwicklung gibt“, sagt Achim Vanselow, DGB-Abteilungsleiter für Strukturpolitik.

In mancher Hinsicht sei der Strukturwandel „vorbildlich gelungen“, erkennt auch Weber an. Aber viele Menschen, vor allem im Norden des Ruhrgebiets, profitierten nicht von den positiven Wirtschaftstrends. Die Langzeitarbeitslosigkeit im Ruhrgebiet liegt nach Gewerkschaftsangaben bei 44 Prozent. Auch in anderen Landesteilen gebe es ähnliche Schwierigkeiten, aber nicht so geballt, sagt Weber und verweist auf das bergische Städtedreieck.

Entlastung verspricht sie sich von einem sozialen Arbeitsmarkt, der sich von befristeten Maßnahmen verabschiedet und Langzeitarbeitslosen mit unbefristeten, sozialversicherten und tariflich bezahlten Jobs eine Perspektive bietet. Das werde möglich, wenn die Kommunen die Möglichkeit erhielten, Einsparungen beim Wohn- und Arbeitslosengeld dafür zu verwenden. Denn ein sozialer Arbeitsmarkt müsse zwingend bei den Kommunen angesiedelt werden: „Dort liegt die Arbeit auf der Straße und dort gibt es auch die Arbeitslosen.“ Eine Konkurrenz für Angebote des ersten Arbeitsmarktes erwartet die DGB-Vorsitzende nicht. „Es ist besser, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.“

Das gelte beim Thema Fachkräftemangel auch für die Auszubildenden. Die ewige Klage über ungenügende Mathematikkenntnisse helfe nicht weiter. Weber fordert, stattdessen die Talente stärker in den Fokus zu rücken — mit einem „wertschätzenden Blick“.

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