Deutschland vor Jobflaute nach schwacher Herbstbelebung

Nürnberg (dpa) - Lange Zeit zeigte er sich krisenresistent - jetzt bekommt auch der deutsche Arbeitsmarkt erste Kratzer. Experten sprechen bereits von einer drohenden Jobflaute. Die Bundesagentur bleibt zuversichtlich.

Nach der schwächsten Herbstbelebung seit einem Jahrzehnt haben sich die Hinweise auf eine Jobflaute in den kommenden Monaten weiter verdichtet. Neben Volkswirten deutscher Großbanken rechnet auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit einer Abschwächung des Arbeitsmarktes. Um die Krise abzumildern, forderte der DGB daher am Dienstag die Neuauflage eines Kurzarbeiterprogramms, mit dem 2009 und 2010 die Folgen der Finanzkrise abgefedert wurden. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) sprach dagegen von einem weiterhin „robusten Arbeitsmarkt“.

Im Oktober ist die Zahl der Arbeitslosen lediglich um 35 000 auf 2,753 Millionen gesunken; dies ist nur ein knappes Drittel des sonst im Spätherbst üblichen Rückgangs. Im Jahresvergleich legte die Zahl der Erwerbslosen im Oktober zudem erstmals wieder leicht zu - und zwar um 16 000. Zuletzt hatte es einen solchen Anstieg vor 32 Monaten gegeben. Die Arbeitslosenquote blieb im Vergleich zum Vormonat und zum Vorjahr unverändert bei 6,5 Prozent.

BA-Chef Frank-Jürgen Weise machte unter anderem „die schwächere konjunkturelle Entwicklung“ für die geringe Dynamik verantwortlich. Auch seien weniger Jobsucher in arbeitsmarktpolitischen Programmen als vor einem Jahr. Der Arbeitsmarkt präsentiere sich weiter „robust und in guter Verfassung“, unterstrich Weise. Solange noch immer neue Jobs entstünden, wie die Erwerbstätigenstatistik zeige, könne auch nicht von einer Trendwende zum Schlechten gesprochen werden. Der Arbeitsmarkt erlebe derzeit allenfalls eine Stagnation.

Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) räumte am Dienstag zwar eine Abschwächung ein; insgesamt sei der Arbeitsmarkt aber „vergleichsweise stabil“, erklärte sie in Berlin. „Die Zahlen sind noch kein Grund zur Unruhe und bedeuten mit Sicherheit keine Trendumkehr am Arbeitsmarkt“, fügte sie hinzu. Viele Firmen warteten vielmehr wegen der anhaltend schwierigen Lage der Absatzmärkte im Euro-Raum mit Neueinstellungen ab. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) warnte vor zusätzliche Belastungen für Unternehmen, „die die Flexibilität am Arbeitsmarkt und die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen gefährden könnten.“

Nach Angaben von BA-Vorstandsmitglied Raimund Becker beobachten inzwischen immer mehr Arbeitsagenturen eine leichte Eintrübung auf dem jeweiligen örtlichen Arbeitsmarkt. Viele Agenturchefs seien jetzt etwas skeptischer als noch vor ein paar Monaten. Im Berichtssystem der Bundesagentur stünden die Ampeln vieler Arbeitsagenturen inzwischen auf Gelb statt wie bisher auf Grün. „Aber Rot sehen wir derzeit noch nicht“, berichtete Becker unter Berufung auf monatliche Umfragen bei örtlichen Agenturvertretern. In vielen Arbeitsagenturen häuften sich allerdings Anfragen wegen Kurzarbeit.

Nach Einschätzung von Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist der deutsche Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich weiterhin gut aufgestellt. „Dies gilt besonders auch für ältere Arbeitnehmer“, hieß es in einer Stellungnahme Hundts vom Dienstag. Der DGB sprach sich für eine Wachstumsoffensive aus. Kritisch beurteilen die Oppositionsparteien im Bundestag die aktuelle Arbeitsmarktlage.

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