Der Berg an Überstunden wächst in Deutschland

Berlin (dpa) - Der Berg an Extraarbeit wächst: Beschäftigte in Deutschland haben im vergangenen Jahr mehr Überstunden geleistet als zuvor, der Wert stieg im Vergleich zu 2014 um etwa 1,2 Prozent auf 1813 Millionen Stunden.

Der Berg an Überstunden wächst in Deutschland
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Dies geht aus einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, das für die Bundesagentur für Arbeit forscht.

Zuvor hatte die „Saarbrücker Zeitung“ darüber berichtet. Da es insgesamt aber mehr Jobs gab, blieb der Schnitt pro Arbeitnehmer in etwa gleich - etwa 21 bezahlte und 26 nicht bezahlte Extrastunden gab es pro Kopf 2015.

Mehr als die Hälfte der Überstunden war also unbezahlt. Der Statistik zufolge fielen im vergangenen Jahr 816 Millionen bezahlte Überstunden an, das waren 18 Millionen mehr als 2014. Nicht entlohnt wurden 997 Millionen Überstunden, vier Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Bei den unbezahlten Extraschichten war der prozentuale Anstieg also niedriger als bei bezahlter Zusatzarbeit. Auf einen Arbeitnehmer heruntergerechnet ergibt sich ein Schnitt von 21,1 bezahlten Überstunden pro Jahr und 25,7 nicht bezahlten Extrastunden.

Der leichte Trend zu mehr unbezahlten Überstunden setzte sich 2016 fort - den Angaben zufolge entfielen auf das erste Quartal 254 Millionen Stunden Arbeit außerhalb regulärer Zeiten, 4 Millionen mehr als im ersten Quartal 2014.

Aus der Politik kam Kritik. Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, wertete die Zahlen als Beleg, wie knapp die Personaldecke in den Unternehmen sei. Überstunden seien ein Spiegelbild von Arbeitsverdichtung und zunehmendem Stress. „Deutschland würde ein wahres Jobwunder erleben, wenn die Unternehmen, statt Überstunden zu verlangen, Stellen einrichten würden“, sagte Zimmermann.

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund raufte man sich die Haare wegen der Überstunden-Statistik. „Fast eine Milliarde unbezahlter Überstunden sind ein Skandal, der schnell beendet werden muss“, sagte Annelie Buntenbach, Mitglied im DGB-Bundesvorstand. Sie pochte darauf, dass Arbeitszeit vollständig erfasst und entlohnt werden müsse. „Gleichzeitig muss mehr dafür getan werden, überlange Arbeitszeiten zu vermeiden, damit Arbeit nicht krank macht.“

Der Arbeitssoziologin Sabine Pfeiffer von der Universität Hohenheim bestätigte den Trend zur intensiveren Arbeit. „Der Takt ist unglaublich hoch geworden und vieles kann nur noch erledigt werden, indem Beschäftigte die Arbeitszeit ausweiten“, so Pfeiffer. Ein auf rasche Ergebnisse fixiertes Management und der sich verschärfende wirtschaftliche Druck führten dazu, dass das nötige Arbeitsvolumen nicht mehr realistisch eingeschätzt und eingeplant werde.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) wies darauf hin, dass Deutschland mit einer durchschnittlichen tariflichen Jahresarbeitszeit von 1651 Stunden deutlich unter dem EU-Schnitt von 1707 Stunden liege, pro Woche und Arbeitnehmer seien es 37,7 Stunden in Deutschland und 38,1 Stunden im EU-Schnitt. Zudem wies ein Sprecher darauf hin, dass die Zahl der Überstunden in der Vergangenheit vor allem wegen Arbeitszeitkonten tendenziell zurückgegangen sei. Tatsächlich war das Volumen der Überstunden der Statistik zufolge 2012 und 2013 deutlich gesunken, seit 2014 steigt es leicht.

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