Das Ende der Sozialcharta bei der LEG

Vor zehn Jahren wurde der Wohnkonzern des Landes privatisiert. Ein Jubiläum, über das einige jubeln, andere schimpfen.

Das Ende der Sozialcharta bei der LEG
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Düsseldorf. Zehn Jahre ist es her, dass die damalige schwarz-gelbe Landesregierung unter Jürgen Rüttgers ihre Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) privatisierte. Während man dieses Datum in der Chefetage des Wohnungskonzerns feiert, sieht Jochen Ott, Fraktionsvize der SPD im Düsseldorfer Landtag, es als „trauriges Jubiläum“. Angesichts der Wohnungsnot sei offensichtlich, dass das Land „ein eigenes Instrument“ brauche — seine Partei träumt wieder von einer neuen staatlichen Wohnungsbaugesellschaft, einer Art LEG 2.0.

Dass die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens seit 2008 eine fulminante war, erkennt auch der Oppositionspolitiker an: Der Börsenwert sei von damals knapp 788 Millionen auf nunmehr sechs Milliarden Euro angestiegen — aber davon habe das Land ja nun nichts mehr. Allerdings glaubt man bei der LEG, dass es ohne den damaligen Schritt auch nie zu einem solchen Wachstum gekommen wäre — die Gesellschaft wurde privatisiert, so ein Sprecher, „weil sie unrentabel, schwach finanziert und ohne eigene Zukunft arbeitete“.

Noch immer lägen die Mieten weit unter dem NRW-Schnitt. „Gleichzeitig wirtschaften wir profitabel, sind solide durchfinanziert und stecken viele Millionen Euro in die Instandhaltung unserer Gebäude.“ Das Portfolio wuchs von 92 500 Wohnungen 2007 auf über 130 000 an, die Mieterzahl im selben Zeitraum um 100 000 auf aktuell 350 000. Die Nettoverschuldung wurde fast halbiert, die Bilanzsumme von drei auf zehn Milliarden Euro gesteigert, die Zahl der Auszubildenden weit mehr als verdoppelt (von 18 auf 48).

Und das trotz einer Sozialcharta, die dem Unternehmen einen umfassenden Mieterschutz auferlegte. Angelegt auf zehn Jahre. Jetzt läuft die Charta mit festgeschriebenem Kündigungsschutz und einer Quasi-Mietpreisbremse, Mindestinvestitionen in den Bestand und Beschränkungen für Weiterverkäufe aus. Beim NRW-Bauministerium sieht man diesen Einschnitt entspannt: „Die damals geäußerten Befürchtungen, dass für die Mieterinnen und Mieter erhebliche Nachteile entstehen würden, haben sich nicht bewahrheitet“, bilanziert man auf Anfrage dieser Zeitung. „Die Mieter sind grundsätzlich durch das allgemeine Mietrecht ausreichend geschützt.“ Die Grünen im Landtag hingegen fordern eine Fortschreibung der Sozialcharta. SPD-Mann Ott hält das für „rechtlich schwierig“ — wünschen würde er sich die aber auch.

Hans-Jochem Witzke vom Mieterbund in NRW hingegen glaubt ohnehin nicht, dass die Sozialcharta die Mieter der LEG wirkungsvoll geschützt habe. Die Privatisierung sei „alles Andere als gelungen“: „Sehr viele Menschen leiden unter der LEG.“ So seien zwar in ländlichen Lagen die Mieten stabil geblieben, um den Durchschnitt — mit aktuell 5,54 Euro unter dem NRW-Schnitt von 6,67 Euro — zu senken, aber in den Ballungsräumen hätte der Konzern auch in den vergangenen zehn Jahren schon und von der Charta gedeckt ordentlich aufgeschlagen: „Da sind sie zum Teil über zehn Euro pro Quadratmeter kalt“, sagt Witzke. Er befürchtet, dass es nach Wegfallen der Sozialcharta bei der LEG heißt: „jetzt erst recht“.

Kritisch sieht er vor allem die Investitionen in den Bestand, auf die man bei der LEG durchaus stolz ist. „Bis 2021 planen wir, zusätzlich eine Milliarde Euro in Instandhaltung und Modernisierung zu investieren“, erklärt ein Sprecher. Witzke glaubt: „Sie modernisieren um der Modernisierung willen.“ Und gäben die Kosten an die Mieter weiter.

Wie hart der einst gemeinnützige Konzern sein könne, habe man etwa im Düsseldorfer Viertel Hassels-Nord gesehen. Dort hatte eine Immobiliengesellschaft aus Luxemburg eine Hochhaussiedlung mit hohem Anteil von Leistungsbeziehern als Mietern saniert und die Mieten kräftig angezogen. Viele Bewohner klagten. Als die LEG einstieg und die über 1400 Wohnungen übernahm, so Witzke, gab es große Hoffnung auf eine Lösung — doch kurz darauf flatterte 80 Haushalten wegen Mietrückständen die fristlose Kündigung ins Haus. Die LEG hält dagegen, dass ihre Mieter dem Unternehmen im Schnitt elf Jahre lang die Treue hielten: „Das erreichen wir nicht mit Luxussanierungen, sondern mit Modernisierung mit Augenmaß.“

Die LEG will auch ohne Charta bei ihrer Linie bleiben. „Wir sind ein langfristig orientiertes Wohnungsunternehmen mit klar definierter Wachstumsstrategie“, heißt es gegenüber dieser Zeitung. Zielgruppe blieben die „Normalverdiener“. Dennoch hat man Pläne: „Wir werden künftig unseren Mietern immer mehr Services auch rund ums Mieten anbieten“, kündigt ein Sprecher an. „Langfristiges Ziel der LEG ist es, vom Wohnungsverwalter zum Alltagsmanager zu werden.“

Witzke hingegen erwartet für die erste Zeit nach der Sozialcharta vor allem ein hartes Erwachen für die Beschäftigten: Er fürchtet, dass die LEG aus dem Tarif aussteigt. Sein Fazit zu zehn Jahren Privatisierung ist nüchtern: „Es gibt keinen Grund zum Feiern — außer man ist Aktionär.“

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