Chemie-Tarifrunde noch ohne Ergebnis

Hannover (dpa) - Die rund 550 000 Beschäftigten der deutschen Chemieindustrie müssen weiter auf einen Tarifabschluss warten. Bei ihren ersten Verhandlungen auf Bundesebene konnten sich Vertreter der Arbeitgeber und der Gewerkschaft IG BCE in Hannover nicht zu einem neuen Tarifvertrag durchringen.

Die Gespräche vertagten sie auf den 23./24. Mai, dann wird der Tarifpoker in Berlin fortgesetzt. Die IG BCE verlangt unter anderem sechs Prozent mehr Geld für die Mitarbeiter und Auszubildenden bei einer Laufzeit von zwölf Monaten.

„Bei der Einschätzung der wirtschaftlichen Situation sind wir noch sehr weit auseinander. Da müssen sich die Arbeitgeber stark bewegen“, sagte IG-BCE-Verhandlungsführer Peter Hausmann. Optimistischer sei er bei den ebenfalls strittigen Arbeitszeit-Regelungen für ältere Beschäftigte. Ähnlich äußerte sich sein Kollege Hans-Carsten Hansen vom Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC): „Es gibt Skepsis bei der Lohnforderung, aber Schnittmengen beim Thema Demografie.“

Vor dem Tagungshotel demonstrierten knapp 300 Gewerkschafter für eine spürbare Tariferhöhung. Die Gewerkschaft hatte nach Gesprächen in neun regionalen Tarifbezirken an die Arbeitgeber appelliert, ein konkretes Angebot vorzulegen. 2011 hatten beide Seiten ein Plus von 4,1 Prozent ausgehandelt. Dieses Jahr müsse es angesichts sprudelnder Gewinne in vielen Unternehmen deutlich mehr sein, meinte Hausmann.

Aus Sicht des BAVC lässt das allgemeine Geschäftsklima derzeit jedoch keinen Spielraum für eine stärkere Anhebung. „Es gibt kein zusätzliches Wachstum, das verteilt werden könnte. Deshalb ist die 6-Prozent-Forderung weit weg von einer realistischen Lohnformel“, sagte Hansen. Die Chemieindustrie werde in diesem Jahr bestenfalls unterdurchschnittlich wachsen. „Wir brauchen Realismus statt 6 Prozent“, betonte der Personalchef des Chemie-Riesen BASF.

Die IG BCE will zudem eine Arbeitszeit-Verlängerung in den etwa 1900 Unternehmen der Branche verhindern, eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche lehnt sie strikt ab. Der Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit und Demografie“ soll entsprechend weiterentwickelt werden. Er beinhaltet unter anderem Entlastungsphasen für ältere Arbeitnehmer und Vorruhestandsmodelle. Hier haben sich beide Seiten nach eigener Einschätzung bereits angenähert. „Das wollen wir jetzt in Arbeitsgruppen zusammenfassen“, kündigte Hansen an.

Nach geltendem Tarifvertrag haben Schichtarbeiter ab 55 Jahren und andere Arbeitnehmer ab 57 Jahren Anspruch auf bezahlte Freistunden. Auch in besonderen Lebensphasen - etwa bei jungen Eltern und Kollegen mit pflegebedürftigen Angehörigen - sollen Sonderregelungen greifen.

IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis hatte sich im „Südwestrundfunk“ gegen Überlegungen für eine längere Lebensarbeitszeit gewandt. Dies seien „wirre Forderungen“. Dagegen beharrte Hansen grundsätzlich auf mehr Flexibilität: „Starre Regelungen, die sich allein am Lebensalter orientieren, werden einer alternden Gesellschaft nicht gerecht.“

Während die Chemie-Tarifpartner nach eigenen Worten bald Fortschritte machen dürften, blieben die Fronten im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie bisher verhärtet. Die IG Metall fordert 6,5 Prozent mehr Geld, die Arbeitgeber bieten bisher 3 Prozent. In der vorigen Woche war eine bundesweite Welle von Warnstreiks angerollt.

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