Champagner-Fabrikant Pierre-Emmanuel Taittinger: „Zahlen sind mir nicht wichtig“

Porträt: Der Champagner-Fabrikant Pierre-Emmanuel Taittinger wagt viel, um sein Unternehmen zurückzubekommen.

Reims/Düsseldorf. Wie war das? Wirtschaft besteht aus nüchternen Zahlen und starrem Blick auf die höchstmögliche Rendite? Nicht für Pierre-Emmanuel Taittinger. Der Chef der gleichnamigen Champagnerkellerei in Reims spricht nicht über Märkte, sondern über Kultur und Genuss. Er spricht nicht über Zahlen, sondern über wahre Werte. Die Rendite ist ihm weniger wichtig als die Tradition und die Glücksgefühle beim Herstellen und auch beim Trinken von Champagner: "Ich bin ein Gefühlsmensch."

Und nach dem Husarenstück, das Taittinger (Jahrgang 1953) für seine Kellerei geliefert hat, ist man geneigt, ihm das tatsächlich zu glauben und nicht nur für publikumswirksame PR zu halten.

Die Kellerei besteht seit 1734. Pierre Taittinger, der Großvater des heutigen Firmenchefs, kauft sie 1932. Dem Familienimperium verleiben er und seine Nachfolger noch die Kristallfabrik Baccarat, die Parfüms von Annick Goutal sowie die florierende Hotelgruppe Accord mit dem Grandhotel Le Crillon in Paris und der Übernachtungskette Campanile ein.

Im Jahr 2005 gibt es 38 Erben aus sieben Familienzweigen, die das Konglomerat mehrheitlich verkaufen wollen. Der Global Player Starwood Capital zahlt mehr als zwei Milliarden Euro, somit bekommt jeder Erbe rechnerisch 55 Millionen.

Pierre-Emmanuel Taittinger hat durchaus Verständnis dafür, dass sich manche Verwandte mit ihrem Erlös fortan ein schönes Leben machen. Doch ihn lockt weder eine Yacht noch eine Villa in Florida. Er will sein Champagnerhaus wieder haben - "nicht für mich, sondern für die Familie, für die Angestellten, für die Kunden".

Starwood wollte die Kellerei zwar auch weiterverkaufen, aber es gab weltweit noch 50 andere, meist finanzstarke Interessenten. Doch Taittinger rang ausdauernd und fand schließlich einen Partner in seiner regionalen Bank, dem Crédit Agricole du Nord Est. Dieser übernahm 2006 den weltweit zehntgrößten Champagnerhersteller für 660 Millionen Euro. Angesichts eines Umsatzes von rund 110 Millionen Euro im Jahr und einem Betriebsergebnis von gut 30 Millionen war der Kaufpreis um einiges höher als geplant - der Chef zuckt heute dazu die Schultern: "Konnte man eben nicht ändern."

2007 übernahmen Pierre-Emmanuel Tattinger, seine vier Geschwister, die Eltern sowie eine Gruppe von Freunden von der Bank zunächst 63Prozent der Anteile an der Champagnermarke. Tochter Vitalie und Sohn Clovis arbeiten ebenfalls im Unternehmen mit.

Höchstens fünf andere Menschen auf der Erde hätten sich auf ein solches Abenteuer eingelassen, glaubt Taittinger. Aber er sei nun mal ein Träumer: "Wenn ich vier Stunden am Flughafen warten muss, habe ich genug Stoff in meinem Kopf, der mich beschäftigt." In Bayern habe man Ludwig II. auch für verrückt gehalten. Doch der habe seine Träume wahr gemacht und "heute kommen jedes Jahr 15 Millionen Touristen in seine Schlösser"!

Es sei wichtig, an etwas zu glauben: "Dann bist du zehn Mal stärker." Prinzipien können aber auch nicht schaden. Taittinger hat nicht mitgemacht, als der Champagnerabsatz 2009 einbrach und etliche Konkurrenten massiv die Preise senkten - das würde der Marke mittelfristig einfach nicht gut bekommen.

Als Chef eines Familienunternehmens könne er so handeln, diesen prophezeit er ohnehin eine große Zukunft: "Je größer die Unternehmen sind, desto labiler werden sie - das hat man in der Krise ja gesehen." Auf der anderen Seite die Familienunternehmen: "Wenn es dein Geld ist, gehst du vorsichtiger damit um. Dann spielst du bei bestimmten Spielen gar nicht erst mit."

Bereut hat er den Rückkauf seiner Kellerei jedenfalls noch nie: "Ich schlafe gut, esse gut und mache so oft wie möglich Liebe."

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