Bringen Zinswetten Banken in Not?

Eine Firma klagt gegen die Deutsche Bank. Das Urteil könnte Signalwirkung für Kommunen haben.

Karlsruhe. Im Streit um riskante Zinswetten droht der Deutschen Bank eine Niederlage vor dem Bundesgerichtshof (BGH). BGH-Richter Ulrich Wiechers bezweifelte in der mündlichen Verhandlung am Dienstag, dass die Bank richtig aufklärte, als sie dem hessischen Hygienebedarfs-Hersteller Ille 2005 einen „Spread Ladder Swap“ verkaufte.

Der Urteilsspruch soll nun am 22. März erfolgen. Ein BGH-Urteil gegen Deutschlands größtes Geldhaus hätte Signalwirkung: Etliche Städte, kommunale Unternehmen und Mittelständler haben mit dem Produkt herbe Verluste gemacht. Ihre Anwälte sprechen von rund 200 Fällen und einem Millionenschaden.

„Spread Ladder Swaps“ sind Wetten darauf, wie sich kurz- und langfristige Zinssätze entwickeln. Sie beruhen auf der Differenz (Spread) zwischen langfristigen und kurzfristigen Zinsen. Die Erwartung bei den Swaps (englisch: „tauschen“) war, dass die langfristigen Zinsen stärker steigen als die kurzfristigen. Doch es kam anders. Ille klagt nun auf 540.000 Euro Schadenersatz.

Richter Wiechers bezeichnete das Produkt in der mündlichen Verhandlung als „hochkompliziertes Finanztermingeschäft“ mit zweifacher Hebelwirkung, das der Unternehmer nicht ohne weiteres habe nachvollziehen können. „Es handelte sich um eine Art spekulative Wette.“ Zudem sei fraglich, ob die Bank ausdrücklich genug auf das „theoretisch unbegrenzte Verlustrisiko des Kunden“ hingewiesen habe. „Vielleicht hätte es von der Bank daher eher heißen müssen: Finger weg“, sagte Wiechers.

Die Deutsche Bank hatte stets betont, sie habe die Kunden auf die Risiken der Anlage hingewiesen und angemessen beraten. Der Anwalt des Dax-Konzerns, Reiner Hall, warnte in der BGH-Verhandlung vor der erheblichen Tragweite eines Urteils gegen die Deutsche Bank: „Sie lösen eine zweite Finanzkrise aus, wenn sie in ihr Urteil schreiben, dass die Bank entweder keinen Gewinn machen darf oder darüber aufklären muss.“

Ille-Anwalt Norbert Gross zitierte aus einem internen Memorandum der Bank. Darin würden Mitarbeiter angewiesen, die Gestaltungsmöglichkeiten des Vertrags so zu nutzen, dass es „aller Wahrscheinlichkeit zu einem Verlustgeschäft für den Kunden“ werde. „Es sollte ein Negativ-Geschäft werden. Nur so kann man an dem Kunden Geld verdienen“, sagte Gross.

Zinsgeschäfte sind bei NRW-Kommunen populär: Der Bund der Steuerzahler hatte Ende 2008 eine Umfrage gestartet: 191 der befragten 396 Kommunen bestätigten, solche Geschäfte getätigt zu haben. Von diesen 191 Kommunen haben nach eigener Auskunft 114 Gewinne erzielt, 34 sprachen von Zinsersparnissen oder positiven Entwicklungen, 35 machen zu Gewinn oder Verlust keinerlei Angaben, acht Kommunen sprechen von Verlusten.

Besonders hart traf es Remscheid. Der Gesamt-Verlust der Stadt aus diesen Geschäften liegt bei 18,9 Millionen Euro. Den größten Teil machten die Ablösesummen für Geschäfte mit der WestLB aus. Die beliefen sich auf 16,2 Millionen Euro. In Folge der Geschäfte war der Stadtkämmerer Jürgen Müller (CDU) zurückgetreten.

Die Stadt Neuss hat Zinswetten mit der Deutschen Bank abgeschlossen. Derzeit liegen die Verluste bei fünf Millionen Euro. Hier wartet man mit Spannung auf die Entscheidung aus Karlsruhe.

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