Berlin und Paris setzen Finanzsteuer durch

Brüssel/Berlin (dpa) - Seit Jahren wird um die Einführung einer Steuer auf Finanztransaktionen gerungen. Nun gibt die EU den Startschuss - allerdings zieht nur ein „harter Kern“ um Deutschland und Frankreich mit.

Das Vorhaben ist umstritten - auch weltweit.

Nach langem Gezerre haben Deutschland und Frankreich ihr Vorhaben einer europäischen Finanzsteuer durchgesetzt. Zunächst wird aber nur ein „harter Kern“ von elf EU-Mitgliedsländern bei dem Prestigevorhaben mitziehen. Die EU-Finanzminister billigten am Dienstag in Brüssel das Vorangehen im Rahmen der „verstärkten Zusammenarbeit“. Europa ist damit die erste Region der Welt, wo diese umstrittene Steuer auf Finanztransaktionen eingeführt wird.

„Dies ist ein Meilenstein in der weltweiten Steuergeschichte“, bilanzierte der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta. Er lobte die globale Vorreiterrolle Europas.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, Berlin und Paris hätten den Weg geebnet. „Ich freue mich, dass wir schon jetzt neun Mitstreiter in der EU haben. Der Finanzsektor soll an den Kosten der Finanzkrise angemessen beteiligt werden. Diesem Ziel sind wir ein gutes Stück nähergekommen.“

Die Deutsche Kreditwirtschaft kritisierte hingegen die Einigung und warnte vor möglichen Risiken: Eine derartige Steuer werde „zu Verzerrungen des Wettbewerbs und zu einer Destabilisierung der Finanzmärkte in Europa beitragen“, hieß es in einer Mitteilung. Die Kreditwirtschaft wies zudem darauf hin, dass wesentliche Finanzplätze in Europa wie etwa Großbritannien eine Beteiligung abgelehnt hätten. „Damit besteht von vornherein die Gefahr von Abwanderungsbewegungen durch Verlagerung von Geschäften in Mitgliedstaaten ohne Finanztransaktionssteuer.

Wie die Finanzsteuer „im kleinen Kreis“ genau gestaltet werden soll, ist noch nicht klar. Dazu muss die EU-Kommission einen Vorschlag machen. Eine Einigung aller 27 Staaten hatte sich nach langen Debatten als unmöglich erwiesen, da insbesondere Großbritannien und Schweden blockierten. Teilnehmer sind auch Österreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei und Slowenien. Die Niederlande überlegen noch, ob sie mitmachen wollen.

Finanzstaatssekretär Thomas Steffen legte sich nicht darauf fest, wofür die neuen Einnahmen in Deutschland eingesetzt werden sollen. „Wir warten auf Vorschläge der Kommission, erst am Ende des Tages werden wir sehen, wie wir das Geld verwenden.“

Die Finanzsteuer war auch Thema bei den deutsch-französischen Beratungen in Berlin anlässlich des 50. Jubiläums des Elysée-Vertrags. Der französische Staatspräsident François Hollande sagte, er wolle Mittel aus der Abgabe zur Finanzierung von Programmen zur besseren Ausbildung von Jugendlichen einsetzen.

Die Möglichkeit, bei einzelnen Vorhaben in einer Gruppe von Mitgliedstaaten voranzugehen, ist ausdrücklich im EU-Vertrag verankert. Für den Beschluss war eine sogenannte qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten nötig - laut Diplomaten machten Großbritannien, Schweden, Tschechien, Malta und Luxemburg ihre ablehnende Haltung deutlich. Der amtierende Vorsitzende der europäischen Kassenhüter, Irlands Michael Noonan, meinte, es seien noch „bedeutende Verhandlungen“ nötig.

„Erstmals wird die Finanztransaktionsteuer in einer Weltregion angewandt werden“, sagte Kommissar Semeta. Die Europäer waren in den vergangenen Jahren in internationalen Foren wie den G20 für den geplanten Vorstoß kritisiert worden.

Die Finanzabgabe wird schon seit langem von Globalisierungskritikern gefordert. Die Kommission hatte 2011 eine Steuer vorgeschlagen, die grundsätzlich alle Finanztransaktionen erfasst. Die Abgabe soll 0,1 Prozent für den Handel mit Aktien und Anleihen betragen. Für den Handel mit spekulativen Finanzprodukten wie Derivate sind 0,01 Prozent vorgesehen. Würde die Steuer EU-weit eingeführt, kämen Einnahmen von rund 57 Milliarden Euro jährlich zusammen. Zahlen für die Gruppe der 11 fehlen bisher.

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