Bahn klagt gegen Ex-Schienenkartell um ThyssenKrupp

Berlin/Essen (dpa) - Der schwer angeschlagene Industriekonzern ThyssenKrupp kommt nicht zur Ruhe: Nach dem Debakel beim Bau von zwei Stahlwerken in Übersee mit milliardenschweren Verlusten zerrt nun die Deutsche Bahn den Riesen vor Gericht.

Der Essener Stahl- und Anlagenbauer steht im Zentrum eines Schienenkartells, gegen das das Bundeskartellamt Mitte dieses Jahres Bußgelder wegen illegaler Preisabsprachen verhängt hatte. Gegen die Schienenhersteller sei eine Schadenersatzklage erhoben worden, kündigte die Deutsche Bahn am Donnerstag in Berlin mit.

Über diesen Schritt war in den vergangenen Wochen mehrfach spekuliert worden. Die Bahn sehe „sehr gute“ Erfolgschancen für eine Klage. Das Gericht sei an die Entscheidungen des Bundeskartellamtes gebunden. Deshalb könne sich die Auseinandersetzung auf die Höhe des Schadensersatzes beschränken, hieß es in der Mitteilung weiter.

Da sich die Unternehmen in den Gesprächen mit der Bahn bislang uneinsichtig zeigten und es zu keiner gütlichen Einigung gekommen sei, wolle die Bahn ihre Ansprüche nun gerichtlich geltend machen. „Einige haben sogar die Gespräche mit uns abgebrochen. Und das, obwohl zweifelsfrei feststeht, dass sie die Bahn geschädigt haben“, erklärte Bahn-Vorstandsmitglied Gerd Becht.

Da die Schieneninfrastruktur überwiegend durch Mittel des Bundes finanziert wird, vertrete die Deutsche Bahn bei dieser Klage vor allem die Interessen der Steuerzahler. Ein großer Teil des zu erwartenden Schadensersatzes werde in die öffentlichen Haushalte zurückfließen, hieß es in der Stellungnahme der Bahn.

In einer ersten Reaktion sprach ThyssenKrupp dagegen von „konstruktiven“ Gesprächen, die das Unternehmen im Januar 2013 fortsetzen wolle. Seit Monaten werde mit der Deutschen Bahn über einen Schadensausgleich gesprochen, und ThyssenKrupp habe auch keinen Anlass für die Klageerhebung gegeben. Eine Forderungssumme habe die Bahn bislang auch nicht genannt. Anlass der Klage seien vermutlich Verjährungsfristen gewesen.

Nach dem Motto, den Ball flach halten wird bei ThyssenKrupp die Klage der Bahn offenbar heruntergespielt. Das Unternehmen kommt nämlich seit Wochen nicht mehr aus den Schlagzeilen. Vor allem das Rekordminus von 5 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr, das vor allem durch die massiven Verluste beim Bau von zwei Stahlwerken in Brasilien und den USA entstanden war, ließ den Konzern in die tiefste Krise der Firmengeschichte stürzen. Vorstandschef Heinrich Hiesinger kämpft an allen Fronten, um ThyssenKrupp wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen.

Vor wenigen Wochen, kurz vor der Bilanzvorlage, setzte der Aufsichtsrat den halben Vorstand vor die Tür. Dabei ging es auch um unsaubere Geschäftspraktiken, die die Manager nicht verhindert hätten. Hiesinger kündigte an, keine Toleranz mehr zu zeigen, das sei ein wichtiges Signal für die Beschäftigten und eine Lehre aus den Korruptionsfällen bei seinem früheren Arbeitgeber Siemens gewesen. Auch Aufsichtsratschef Gerhard Cromme, der wegen der Krise in die Schusslinie geriet, musste sich erklären.

Welche Summen beim Streit über den Schadensausgleich in Sachen Schienenkartell im Spiel sind, ist offiziell nicht bekannt. In Medienberichten war von 750 Millionen Euro die Rede, die die Deutsche Bahn bei ThyssenKrupp, Moravia Steel, Vossloh sowie dem Ex-Eigentümer der Vossloh-Tochter Stahlberg Roensch eintreiben wolle. Das Kartell soll der Deutschen Bahn zwischen 2003 und 2008 rund 400 Millionen Euro zu viel berechnet haben.

Mitte Juni 2012 hatte das Bundeskartellamt gegen die Schienenhersteller Bußgelder in Höhe von 124 Millionen Euro verhängt. In den Jahren 2001 bis 2011 hatten die Unternehmen illegal Quoten und Preise für Schienenlieferungen an die Deutsche Bahn abgesprochen. Voest Alpine, ebenfalls Mitglied des Kartells, brachte den Fall als Kronzeuge ins Rollen und kam deshalb beim Kartellamt mit einer glimpflichen Strafe davon. Der Löwenanteil des Bußgeldes entfiel auf ThyssenKrupp mit gut 100 Millionen Euro.

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