Aufatmen an Ruhr und Saar: Zechen schließen erst 2018

Brüssel (dpa) - Die 25 000 Kumpel an Ruhr und Saar können aufatmen: Deutschland darf seine Steinkohlezechen noch bis 2018 subventionieren, erst dann müssen die fünf verbliebenen Bergwerke schließen.

Die EU-Kommission änderte am Mittwoch ihren Beschluss vom Juli, die Kohlesubventionen schon 2014 zu verbieten. Wären die Milliardenhilfen tatsächlich vier Jahre früher ausgelaufen, hätten laut Gewerkschaften Massenentlassungen gedroht.

Der Bundesregierung ist damit in Brüssel nach monatelangem Drängen der Durchbruch gelungen. Die Kommission schwenkte auf die Linie der Bundesregierung ein, die von einem „großen Erfolg“ sprach. Vertreter der 27 EU-Regierungen stimmten dem Ende der Subventionen 2018 am Abend nach Angaben von EU-Diplomaten zu. Der offizielle Entscheid im Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit am Freitag ist damit nur noch eine Formsache.

Allerdings gibt es einen Wermutstropfen: Zwar bekommen die deutschen Kumpel eine Gnadenfrist. Voraussetzung ist aber, dass Deutschland seine Milliardensubventionen zügiger als geplant reduziert. „Die Beihilfen müssen linear abgebaut werden“, betonte EU- Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, dass es eine „Degressionsklausel“ gibt.

Im deutschen Kohlekompromiss von 2007 war festgeschrieben worden, dass die Subventionen bis Ende 2017 um 71,5 Prozent schrumpfen sollen. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus Verhandlungskreisen erfuhr, gibt Brüssel nun aber vor, dass die Hilfen bis Ende 2017 um 75 Prozent sinken müssen. Die Zuschüsse betrugen im vergangenen Jahr 1,9 Milliarden Euro. Mehr als 40 Prozent des deutschen Stroms kommen aus Kohle, etwa die Hälfte davon aus Steinkohle. Wiederum knapp ein Viertel davon stammt aus heimischer Produktion.

Bundesweit arbeiten noch rund 25 000 Bergleute in den fünf Zechen. Ohne Milliardensubventionen können sie nicht überleben. Drei der Bergwerke, die auf Beihilfen angewiesen sind, liegen im Ruhrgebiet, eines bei Osnabrück, eines an der Saar. Bis Ende 2012 sollen zwei weitere Bergwerke schließen, bis 2018 die letzten drei.

EU-Wettbewerbskommissar Almunia nannte das neue Ausstiegsdatum 2018 nicht explizit, jedoch sagte er, die Kommission unterstütze ein Kompromisspapier der belgischen EU-Ratspräsidentschaft. In dem Papier, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, wird die Frist 2018 genannt. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte: „Wir sind auf gutem Wege, den deutschen Steinkohlekompromiss mit europäischem Recht vereinbar zu machen.“

In Deutschland löste der Kompromiss Erleichterung bei Politik und Gewerkschaften aus. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) begrüßte, dass es Klarheit gibt: „Mir ist wichtig, dass bei Subventionen für den Abbau von Steinkohle in Deutschland ein endgültiger Schlussstrich gezogen wird.“ Nun seien auch Überlegungen zum sogenannten Sockelbergbau vom Tisch. „Das ist nicht zuletzt für die Steuerzahler in Deutschland eine gute Nachricht.“ Brüderle war wie die Kommission zunächst für einen Beihilfestopp schon 2014 eingetreten - konnte sich aber nicht gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchsetzen.

Regierungssprecher Seibert betonte, der Kompromiss sei für Deutschland akzeptabel. Der Termin 2018 sei wichtig, um die Steinkohleförderung in Nordrhein-Westfalen und im Saarland sozialverträglich und ohne betriebsbedingte Kündigungen zu beenden.

Michael Vassiliadis, Chef der Bergbaugewerkschaft IG BCE, bezeichnete die Entscheidung der EU-Kommission als Durchbruch für die Bergleute. „Nun sind alle Voraussetzungen geschaffen, dass es auch in Zukunft keine Entlassungen in unserem Steinkohlebergbau geben wird“, sagte der IG-BCE-Vorsitzende laut Mitteilung.

Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Entscheidung dagegen. Nach ihren Berechnungen hat die Bundesregierung 2008 jeden Job in den unprofitablen Zechen mit 235 000 Euro subventioniert. „Warum unterstützt Deutschland diese alte Industrie, wenn man viel mehr Arbeitsplätze in sauberen erneuerbaren Industrien schaffen könnte?“, sagte Greenpeace-Energieexpertin Frauke Thies der dpa.

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