Online-Behandlung Arzt-Sprechstunde per Video-Chat - aber nicht für Kassenpatienten

Am 1. Juli soll das Angebot der Online-Sprechstunden vertragsärztliche Regelversorgung werden. Ärzte laufen gegen das Vergütungsmodell der Kassen Sturm.

Um die Vergütung der Video-Sprechstunde wird gestritten. (Symbolbild)

Um die Vergütung der Video-Sprechstunde wird gestritten. (Symbolbild)

Foto: dpa

Düsseldorf. Alltag in vielen deutschen Praxen: Auf stundenlanges Warten folgt ein minutenlanges Gespräch mit dem Arzt. Abhilfe könnte die Online-Videosprechstunde schaffen - ortsunabhängig und zeitlich offen. Doch bevor sich diese etablieren kann, droht ihr das Aus: Das von Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und gesetzlichen Krankenkassen jüngst getroffene Vergütungsmodell lehnen viele Ärzte ab. Begründung: Es erstatte das Arztgespräch nicht.

Nach einer Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) vom Mai begrüßt jeder zweite Patient die digitale Kommunikation mit dem Arzt. Auch die Ärzte sind überzeugt, dass sie der Weg in die Medizin des 21. Jahrhunderts ist. Den sie aber vorerst wohl nur ihren privat versicherten Patienten anbieten wollen. Denn nach der vereinbarten Vergütung erhalten sie von den gesetzlichen Krankenkassen pro Quartal Zuschläge bis zu 200 Euro — hauptsächlich gedacht für die Kosten des Videodienstanbieters. Die eigentliche Sprechstunde soll mit der Grundpauschale abgegolten werden.

Ein Punkt, den der Präsident des Berufsverbands der Deutschen Dermatologen, Dr. Klaus Strömer aus Mönchengladbach, scharf kritisiert: „Es gehört schon eine gehörige Portion Ignoranz und Arroganz dazu, diejenigen im System, die Versorgung mitgestalten wollen und Lösungen für die drängenden Probleme der Demografie und der Landarztflucht anbieten, derart vor den Kopf zu stoßen. Man darf gespannt sein, wie lange sich der Gesetzgeber diese Farce bieten lässt.“

Der neue Service ist schnell erklärt: Den technischen Part übernimmt ein Videodienstanbieter, Arzt und Patient benötigen Bildschirm, Kamera, Mikrofon, Lautsprecher und eine Internetverbindung. Der Arzt muss einen Videodienstleister nachweisen, der für die sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sorgt, damit die sensiblen Daten nicht an Unbefugte gelangen. Voraussetzungen müssen auch die Patienten erfüllen: Sie müssen — gemäß Fernbehandlungsverbot — bereits beim Arzt gewesen sein. Möglich sind Kontrollen nach Operationen, Beobachtung von Wundentwicklungen, die visuelle Beurteilung von Bewegungsproblemen, Stimme und Sprachvermögen.

Interessant ist die Telekonsultation für ältere Menschen, chronisch Kranke, Menschen, die nicht mobil sind oder einen weiten Weg zum Arzt haben. Auch bietet sie sich für die Einholung einer Zweitmeinung an. Fast alle Haus- und Fachärzte dürfen Videosprechstunden anbieten. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Hautveränderungen am Bildschirm erkannt werden können, Tumore eher nicht.

Nach zwei Pilotprojekten der TK mit Hals-Nasen-Ohren- sowie Hautärzten soll die Video-Sprechstunde zum Juli als Bestandteil des E-Health-Gesetzes vertragsärztliche Regelversorgung werden.

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