Arbeitgeber dringen auf Tarifeinheitsgesetz

Berlin (dpa) - Angesichts der vielen Streiks bei Bahn und Lufthansa dringen die Arbeitgeberverbände auf das Gesetz zur Tarifeinheit.

„Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen wissen, woran sie sind und was für sie gilt“, sagte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Nachrichtenagentur dpa. Der Gesetzgeber müsse 2015 das Gesetz zur Tarifeinheit „endlich“ umsetzen. „Das Risiko, jederzeit einem Arbeitskampf durch Spartengewerkschaften ausgesetzt zu sein, würde langfristig die Tarifautonomie als Standortvorteil in Deutschland gefährden.“

Nach Einschätzung des Frankfurter Arbeitsrechtler Thomas Ubber wird das von der Bundesregierung geplante Gesetz zur Tarifeinheit die Probleme aber nicht lösen. „Ich halte schon den Anknüpfungspunkt des Betriebs zur Feststellung der jeweiligen Gewerkschaftsmehrheit für falsch“, sagte der Jurist. Bei der Bahn mit ihren rund 300 Betrieben entstünde so ein „Flickenteppich“, wo einmal der Tarif der EVG und das andere Mal der GDL gelten würde. Das sei genauso schwer zu steuern wie zwei unterschiedliche Tarifverträge in einem Betrieb. Zudem werde es Probleme bei der geplanten notariellen Feststellung geben, welche Organisation die Mehrheit der Belegschaft vertritt.

Nach Ubbers Ansicht müssten die Gerichte ihren Spielraum zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit weiter auslegen. „Bei Streiks, die die Allgemeinheit stark betreffen, müssten strengere Maßstäbe angelegt werden.“ Derzeit müsse ein Betrieb in seiner Existenz gefährdet sein, um einen Streik als unverhältnismäßig zu bewerten.

Gesetzliche Regelungen seien dem Arbeitskampfrecht eigentlich systemfremd, aber in Einzelfragen zumindest ein denkbarer Weg, sagte Ubber. Er könne sich für bestimmte Wirtschaftsbereiche der Infrastruktur eine obligatorische Schlichtung vor Streikmaßnahmen ebenso vorstellen wie längere Ankündigungsfristen für Arbeitskämpfe.

Das Bundeskabinett soll sich am 11. Dezember mit dem geplanten Tarifeinheitsgesetz befassen. Für Mai ist eine Verabschiedung vorgesehen. Mit dem Gesetz will Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Tarifkämpfe kleiner Gewerkschaften - wie der Lokführer und der Piloten - eindämmen: Es soll nur noch der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten, wenn sich mehrere Gewerkschaften in einem Betrieb nicht einigen.

Bei Bahn und Lufthansa erwartet Ubber keine schnellen Lösungen. Ein Verhandlungserfolg sei bei beiden Unternehmen sehr schwer zu erreichen, sagte der Anwalt aus der Kanzlei Allen & Overy. Ubber hat beide Unternehmen bereits in arbeitsrechtlichen Prozessen gegen die Vereinigung Cockpit (VC) und gegen die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vertreten. In den Arbeitskämpfen stünden nach dem Ende der Tarifeinheit unternehmens- oder organisationspolitische Ziele im Vordergrund, sagte der Jurist. „Es geht primär nicht darum, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern.“

Bei der Bahn versuche die GDL, ihren Einfluss auszuweiten. Der Konzern sei in der schwierige Lage, die unterschiedlichen Forderungen von GDL und EVG in getrennten Verhandlungen in Einklang zu bringen. Bei der Lufthansa sei die Situation noch verfahrener, sagte Ubber. Im geplanten Billigsegment wolle die Gewerkschaft VC keine unterhalb des geltenden Konzerntarifvertrags bezahlten Piloten akzeptieren, dürfe für dieses Ziel aber nicht streiken. „Daher wird die Frage nach den Übergangsversorgungen bewusst offengehalten, um weiter Druck ausüben zu können.“ Der von der Lufthansa vorgeschlagene Schlichter brauche „schon sehr viel Fantasie“, um eine Lösung zu finden.

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