Aktionärsschelte bei ThyssenKrupp - Cromme gibt Fehler zu

Bochum (dpa) - Verärgerte Aktionäre des angeschlagenen Stahlriesen ThyssenKrupp haben den Aufsichtsrat um Chefkontrolleur Gerhard Cromme wegen Milliardenverlusten heftig attackiert.

Bei der Hauptversammlung am Freitag in Bochum sprachen zahlreiche Anteilseigner angesichts eines Fehlbetrages von rund fünf Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr von einem Desaster. Cromme gestand eine Mitverantwortung des Kontrollgremiums für das Debakel und andere Fehlentwicklungen ein.

Nach stundenlanger Aussprache erteilten die Aktionäre aber Aufsichtsrat und Vorstand die Entlastung. Allerdings erhielten die Manager nur zwischen 62 und 76 Prozent der Stimmen.

Einige Aktionäre hatten zuvor gefordert, dem Kontrollgremium einen Denkzettel zu verpassen und die Entlastung zu verweigern. Andere verlangten Crommes Rücktritt. Cromme erhielt mit rund 69 Prozent die Entlastung. Konzernchef Heinrich Hiesinger, der erst Anfang 2011 zu ThyssenKrupp kam und damit nach den Fehlinvestitionen in neue Stahlwerke, kam auf rund 70 Prozent.

Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), nannte das derzeitige Bild des Konzerns „verheerend“. Viele Aktionäre seien entsetzt. Ein Aktionärssprecher sagte: „Nie zuvor ist in Deutschland eine große Publikumsgesellschaft so aus der Spur geraten, wie ThyssenKrupp.“

Hiesinger versprach einen umfassenden Umbau des tief in die Verlustzone gestürzten Konzerns. Als eines der wichtigsten Ziele gab er aus, die Finanzen des hoch verschuldeten Unternehmens zu stabilisieren sowie das Technologiegeschäft auszubauen. Änderungen müsse es auch bei der Unternehmenskultur geben. „Ich gebe aber zu: Auch mir war bei meinem Amtsantritt nicht bewusst, wie tiefgreifend der nötige Veränderungsprozess sein würde“, sagte Hiesinger, versicherte aber auch: „Alle Weichen sind gestellt, damit wir künftig schlanker, schneller, effizienter und profitabler sind.“ Mit der Neuordnung im Vorstand habe das Unternehmen bereits den Anfang gemacht.

Zuvor hatte der 69-jährige Cromme zugegeben, zu spät reagiert zu haben: „Ja, wir haben zu lange vertraut, wir hätten früher handeln können.“ Allerdings habe der Aufsichtsrat immer dann, wenn entsprechende Fakten dies ermöglicht hätten, konsequent gehandelt. „Wir haben die Kraft gehabt, Fehler zu erkennen, zu korrigieren und die Weichen für die Zukunft zu stellen“, sagte Cromme. Bereits vor Beginn der Veranstaltung hatte sich Berthold Beitz als Chef der Krupp-Stiftung, des größten Einzelaktionärs, im Blitzlichtgewitter mit einer demonstrativen Geste hinter Cromme gestellt.

Cromme kündigte an, das Kontrollgremium werde für 2011/12 nachträglich auf die Hälfte seiner Vergütung verzichten. Die feste Vergütung der Mitglieder hatte bei insgesamt rund 1,4 Millionen Euro gelegen. 200 000 Euro davon gingen an Vorsitzenden.

Zu den Milliardenverlusten im Zusammenhang mit Stahlwerken in Übersee sagte Cromme, es sei trotz aller Anstrengungen in der Vergangenheit nicht gelungen, Fehlentwicklungen zu verhindern. „Rechtlich korrekte Entscheidungen bedeuten nicht zwangsläufig auch gute unternehmerische Entscheidungen.“ Massive Probleme bei den Stahlwerken in den USA und in Brasilien hatten ThyssenKrupp tief in die roten Zahlen gestürzt. Vor dem Hintergrund von Kartell- und Korruptionsfällen betonte Cromme, dass derartige Verstöße vom Aufsichtsrat „mit Nachdruck“ verurteilt werden.

Hiesinger zeigte sich zuversichtlich, den geplanten Verkauf der Stahlwerke des Konzerns in Brasilien und den USA bis zum Herbst abschließen zu können. Der Verkauf gehe voran.

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