Plastikgeschirr ade? Wie die EU den Müll im Meer eindämmen will

Brüssel (dpa) - Die Grillparty der Zukunft sieht wohl etwas anders aus. Kein Kartoffelsalat mehr auf Plastiktellern, kein Kampf mehr mit Plastikmessern und -gabeln gegen zähe Steaks, keine Plastikstrohhalme in der Limo.

Plastikgeschirr ade?: Wie die EU den Müll im Meer eindämmen will
Foto: dpa

Die EU-Kommission forderte ein Verbot solcher Wegwerfware, um die Meere besser vor Plastikmüll zu schützen. Aber keine Sorge, meinte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, Grillparties und Cocktails werde es auch künftig geben. Die Produkte verschwänden nicht, sie seien nur künftig nicht mehr aus Plastik.

Wo liegt das Problem?

Weltweit, aber auch in Europa werden enorme Mengen Kunststoffe genutzt und anschließend weggeworfen. Allein in der EU entstehen nach Angaben der EU-Kommission jedes Jahr rund 26 Millionen Tonnen Plastikmüll, von denen weniger als 30 Prozent zur Wiederverwertung gesammelt werden. Vom Rest landet ein Großteil auf Müllkippen oder in der Umwelt. Schon im Januar forderte die Brüsseler Behörde deshalb in einem Strategiepapier, bis 2030 alle Kunststoffe wiederverwertbar zu machen.

Jetzt legt sie mit konkreten Vorschlägen für Vorschriften und Verbote nach und begründet dies mit dem Schutz der Ozeane. Jährlich landen nach Kommissionsangaben 500.000 Tonnen Plastikmüll im Meer, mit verheerenden Folgen für Fische und Vögel und auch für die menschliche Nahrungskette. Bis zu 85 Prozent des Mülls an europäischen Stränden sind nach EU-Angaben Plastik, die Hälfte davon Wegwerfprodukte zum einmaligen Gebrauch. Eine große Rolle spielen auch Fischernetze.

Was will die Kommission dagegen tun?

Sie nimmt mit ihrer Richtlinie gezielt die zehn Plastikprodukte ins Visier, die am häufigsten in diesem Strandmüll auftauchen. Verboten werden sollen Produkte, für die es Alternativen gibt: Einmalgeschirr und Besteck, Trinkhalme, Getränkerührstäbchen, Halter für Luftballons und Wattestäbchen.

Darüber hinaus nennt die Kommission Einmalprodukte, die nicht verboten, aber massiv zurückgedrängt werden sollen, darunter Verpackungen für Fastfood, Luftballons, Getränkeverpackungen und Deckel. Sie sollen künftig einheitliche Labels mit Hinweisen zur umweltfreundlichen Entsorgung tragen. Damit Deckel nicht durch die Landschaft fliegen, sollen sie künftig an Einwegflaschen oder -trinkbechern hängen bleiben. Hersteller von Chipstüten, Zigarettenfiltern und anderen häufig in der Umwelt gefundenen Produkten will die Kommission für Sammlung und für Infokampagnen zur Kasse bitten.

Die EU-Staaten sollen den Verbrauch durch nationale Ziele deckeln. Zudem sollen sie bis 2025 mindestens 90 Prozent der Einwegplastikflaschen getrennt sammeln, zum Beispiel mit Hilfe eines Einwegpfands, wie es in Deutschland schon 2003 eingeführt wurde. Für die Entsorgung zahlen sollen auch die Hersteller von Fischernetzen.

Hat die EU nicht auch eine Plastiksteuer vorgeschlagen?

Haushaltskommissar Günther Oettinger hat erst von einer Plastiksteuer gesprochen, dann aber eine andere Variante ins Gespräch gebracht: eine Abgabe, die die EU-Staaten für nicht verwertete Plastikabfälle an die EU abführen sollen. Oettinger spricht von 80 Cent pro Kilo. Das wäre ein Anreiz, mehr zu recyceln. Das war aber am Montag nicht Teil des Pakets.

Ab wann sollen die Verbote gelten?

Das kann Jahre dauern. Zunächst ist es nur ein Vorschlag, der nun mit dem EU-Parlament und den EU-Staaten geklärt werden muss. Vor der Europawahl 2019 wird das knapp. Ist sie einmal verabschiedet, müsste die Richtlinie von den EU-Staaten auch noch umgesetzt werden.

Bringt der Maßnahmenkatalog denn etwas?

Das wirtschaftsnahe Centrum für Europäische Politik beklagt, die Kommission schieße mit den Verboten übers Ziel hinaus und schränke die Wahlfreiheit der Verbraucher ein. Ähnlich sieht das der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber: Die Kommission kümmere sich hier um Schnickschnack. Die Grünen finden die Pläne gut, aber nicht ausreichend. Entscheidend seien Reduzierung des Verpackungsmülls und höhere Recyclingquoten, deshalb brauche man komplette Wiederverwertbarkeit von Kunststoffen schon 2025.

Warum Trinkhalme verbieten, wenn das eh wenig bringt?

Plastikstrohhalme sind für Aktivisten weltweit das Symbol für unnötigen Einmalkonsum mit drastischen ökologischen Folgen. Es geht um gewaltige Stückzahlen. Verlässliche Daten gibt es zwar nicht, aber die in Brüssel ansässige Umweltschutz-Dachorganisation Seas at Risk schätzt den jährlichen Verbrauch in den 28 EU-Ländern auf mehr als 36 Milliarden Halme. Rechnerisch nutzt demnach jeder der etwa 512 Millionen EU-Bürger also 71 Stück pro Jahr.

Und künftig? Große Hersteller arbeiten längst an Alternativen für die vielleicht einmal verbotenen Produkte, auch für Trinkhalme. Im April kündigte zum Beispiel Tetrapak die Umstellung auf Papiertrinkhalme bis zum Jahresende an - dabei geht es um die Röhrchen für Saft- oder Milchpackungen zum Direktverzehr. Bis es soweit ist, gibt das Unternehmen einen einfachen Rat, um die Vermüllung durch Strohhalme zu vermeiden: „Schieben sie ihn zurück in die Packung, so dass sie zusammen eingesammelt und recycelt werden können.“

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