Wahlen in Großbritannien: Wird ein Muslim Bürgermeister in London?

London (dpa) - Über 40 Millionen Briten dürfen wählen. In London geht es um einen neuen Bürgermeister, in Schottland, Wales und Nordirland werden Regionalparlamente bestimmt, in England zahlreiche Kommunalparlamente neu besetzt.

Wahlen in Großbritannien: Wird ein Muslim Bürgermeister in London?
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Worauf kommt es an, was ist wichtig an diesem Donnerstag? Und: Spielt auch Brexit eine Rolle?

- LONDON: Keiner der Kandidaten ist ein solch „bunter Vogel“ wie der bisherige Bürgermeister Boris Johnson - ein Populist mit markanter weiß-blonder Mähne, der sich besonders gerne auf dem Fahrrad ablichten lässt. Doch der Tory-Mann gibt jetzt den Anführer der EU-Gegner und tritt in London nicht mehr an.

Dafür könnte mit dem Labour-Mann Sadiq Khan (45) erstmals ein Muslim Bürgermeister werden. Khan ist ein Bilderbuch-Kandidat: Die Familie kommt aus Pakistan, der Vater war Busfahrer, der Sohn arbeitete sich hoch. Umfragen sehen ihn deutlich vor dem Tory-Kandidaten Zac Goldsmith (41), Spross aus schwerreicher Familie. Sollte Khan nicht gewählt werden, wäre das ein schwerer Schlag für die Arbeiterpartei.

- LABOUR: Ausgerechnet kurz vor den Wahlen hat die Partei eine „Antisemitismus-Debatte“ erfasst. Unter anderem fiel der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone durch schräge Hitler-Äußerungen auf. Dem Parteichef Jeremy Corbyn gelang es nicht, die Debatte rasch auszutreten. Doch in seiner Umgebung wird auch zirkuliert, parteiinterne Corbyn-Gegner hätten die Debatte bewusst geschürt - um ihm zu schaden.

Umfragen sagen Labour deutliche Verluste vor allem in Schottland und bei den Kommunalwahlen voraus. Dies könnte den Druck auf Corbyn erhöhen. 2012 konnte die Partei noch 800 Sitze hinzugewinnen - diesmal könnte sie bis zu 150 verlieren.

Kommentatoren malen bereits einem Coup gegen den Parteichef nach der Abstimmung an die Wand. Der linke Corbyn wurde zwar im Spätsommer mit breiter Mehrheit per Mitgliederbefragung gewählt - stößt aber im Partei-Establishment auf Ablehnung, weil er „zu links“ sei.

SCHOTTLAND: Hier geht es vor allem darum, ob die Schottische Nationalpartei SNP ihre beherrschende Stellung weiter ausbauen kann. Parteichefin Nicola Sturgeon, die Ministerpräsidentin in Edinburgh, schmiedet bereits neue Unabhängigkeitspläne. Erst 2014 war ein Referendum knapp gescheitert. Ein weiterer Aspekt: Laut Umfragen könnte Labour im hohen Norden hinter den Konservativen auf den dritten Platz zurückfallen.

BREXIT: Am 23. Juni steht das historische EU-Referendum an, die Briten müssen dann entscheiden, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Überschattet das die Wahlen am Donnerstag? Die Antwort ist: Jein. Zum Beispiel London: Zwar ist Khan ein EU-Befürworter, sein Gegner Goldsmith ein Austritts-Mann. Doch das Thema steht deutlich im Hintergrund, die brennenden Themen sind überteuerte Immobilien und schlechter Nahverkehr.

Auch in Schottland ist Brexit eher Randthema. Die Parteien sind dort durchgängig ebenso europafreundlich wie die große Mehrheit der Schotten. Eines steht schon fest: Sollte Großbritannien aus der EU austreten, gibt es ein neues Schottland-Referendum.

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