Im Wortlaut US-Präsident Obama: „Yes we did, yes we can“

Chigago (dpa) - Mit engagierten und emotionsgeladenen Worten hat sich US-Präsident Barack Obama am Dienstag nach acht Jahren im Weißen Haus von seinen Landsleuten verabschiedet. dpa dokumentiert die 50-minütige Rede in Auszügen:

„ (...)

Wenn ich euch vor acht Jahren gesagt hätte, dass Amerika eine große Rezession umkehren würde, dass wir unsere Auto-Industrie neu starten und die längste Phase der Schaffung von Arbeitsplätzen in unserer Geschichte entfesseln würden, wenn ich euch gesagt hätte, dass wir mit dem kubanischen Volk ein neues Kapitel öffnen, das iranische Atomwaffenprogramm ohne einen Schusswechsel zur Einstellung bringen, den Planer von 9/11 ausschalten würden.

Wenn ich euch gesagt hätte, dass wir die gleichgeschlechtliche Ehe erreichen und weiteren 20 Millionen Bürgern das Recht auf eine Krankenversicherung garantieren würden, wenn ich euch all das gesagt hätte, hättet ihr vielleicht gesagt, dass unsere Ziele ein wenig zu hoch gesetzt sind. Aber das ist es, was wir gemacht haben. Das ist es, was ihr gemacht habt.

Ihr wart die Veränderung. Ihr habt auf die Hoffnungen der Menschen geantwortet und wegen euch ist Amerika durch nahezu jede Maßnahme ein besserer, stärkerer Ort als er es war, als wir begonnen haben.

In zehn Tagen wird die Welt ein Kennzeichen unserer Demokratie verfolgen können. (...)

Den friedlichen Wechsel der Macht von einem freiheitlich gewählten Präsidenten zum nächsten. Ich habe mich dem gewählten Präsidenten Donald Trump gegenüber verpflichtet, dass meine Regierung für den reibungslosesten Übergang sorgen wird, der möglich ist, genauso wie Präsident Bush es für mich tat. Es ist an uns allen, dafür zu sorgen, dass unsere Regierung uns hilft, uns den vielen Herausforderungen zu stellen, denen wir immer noch begegnen. (...)

Genau darauf möchte ich mich heute Abend konzentrieren: Den Zustand unserer Demokratie. Klar, Demokratie braucht keine Gleichförmigkeit. Unsere Gründerväter haben diskutiert. Sie haben gestritten. Schlussendlich fanden sie einen Kompromiss. Von uns erwarteten sie das gleiche. Aber sie wussten, dass Demokratie ein grundlegendes Gefühl der Solidarität braucht - die Idee, dass wir trotz all unserer äußeren Unterschiede zusammengehören; dass wir als Einheit stehen und fallen. (...)

Aber trotz all des wirklichen Fortschritts, den wir machen, wissen wir, dass es nicht genug ist. Unsere Wirtschaft läuft nicht so rund oder wächst nicht so schnell, wenn nur Wenige im Wohlstand leben auf Kosten einer wachsenden Mittelschicht und jener, die die Mittelschicht erreichen wollen. Das ist das wirtschaftliche Argument. Aber eine starke Ungleichheit greift unser demokratisches Ideal ebenfalls an. (...)

Daher müssen wir eine neue gesellschaftliche Übereinkunft finden, um unseren Kindern die Bildung zu garantieren, die sie brauchen, um Arbeitern die Macht zu geben, sich für bessere Löhne zusammenzuschließen. (...)

Wir können diskutieren, wie wir diese Ziele am besten erreichen. Aber wir sollten diese Ziele nicht mit Selbstgefallen betrachten. Wenn wir keine Möglichkeiten für alle Menschen schaffen, wird die Unzufriedenheit und Spaltung, die unseren Fortschritt hemmt, sich in den kommenden Jahren nur verschärfen. (...)

Nach meiner Wahl wurde über ein post-ethnisches Amerika gesprochen. Und eine solche Vision, so gut sie auch gemeint sein mag, war niemals realistisch. Die Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß (wörtlich Rasse) bleiben eine starke und oft trennende Kraft in unserer Gesellschaft. (...)

Aber wir sind nicht dort, wo wir sein sollten. Und wir alle haben noch mehr Arbeit vor uns. (...)

Aber Gesetze allein werden nicht genug sein. Die Herzen müssen sich verändern. Die Veränderung kommt nicht über Nacht. Manchmal dauert es Generationen, bis sich gesellschaftliche Einstellungen ändern. Aber wenn unsere Demokratie in dieser zunehmend diversen Nation funktionieren soll, dann muss jeder von uns versuchen, dem Rat einer großen Figur aus der amerikanischen Literatur zu folgen: Atticus Finch, der sagte „Du wirst nie einen anderen Menschen wirklich verstehen, bis du die Dinge von seinem Standpunkt aus betrachtest... bis du in seine Haut kletterst und in ihr herumläufst.“

Für Schwarze und andere Minderheiten heißt dies, unsere eigenen, sehr realen Kämpfe für Gerechtigkeit mit den Problemen verbinden, die viele Menschen in diesem Land haben - nicht nur der Flüchtling, der Einwanderer, der Arme, der auf dem Land lebt, der Transgender-Amerikaner, sondern auch der weiße Typ mittleren Alters. Von außen sieht es aus, als ob er alle Vorteile hätte, aber dessen Welt durch wirtschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Veränderung auf den Kopf gestellt wurde. Wir müssen darauf achten und zuhören.

Für weiße Amerikaner heißt das, dass die Auswirkungen der Sklaverei und der Rassendiskriminierung nicht in den 60ern plötzlich verschwunden sind - dass, wenn Minderheitengruppen ihren Unmut äußern, sie nicht umgekehrten Rassismus oder politische Korrektheit betreiben. Wenn sie friedlich demonstrieren, dann verlangen sie keine Sonderbehandlung, sondern die Gleichbehandlung, die unsere Gründerväter versprochen haben. (...)

Das bringt mich zu meinem letzten Punkt: Unsere Demokratie ist in Gefahr, wenn wir sie als selbstverständlich betrachten. Wir alle, egal welcher Partei, sollten die Aufgabe angehen, unsere demokratischen Institutionen wieder aufzubauen. (...)

Aber denkt daran, nichts davon passiert von selbst. All dies hängt von unserer Beteiligung ab; davon, dass jeder von uns die Verantwortung der Staatsbürgerschaft akzeptiert, egal, in welche Richtung das Pendel der Macht gerade ausschlägt. (...)

Amerika, wir schwächen diese Bande, wenn wir es zulassen, dass unserer politischer Dialog so zerstörerisch wird, dass Menschen mit gutem Charakter nicht einmal mehr in die Politik gehen wollen. So voll mit Verbitterung, dass wir Amerikaner, mit denen wir nicht einer Meinung sind, nicht nur als fehlgeleitet sehen, sondern als bösartig.

Wir schwächen diese Bande, wenn wir manche von uns amerikanischer als andere definieren; wenn wir das gesamte System als unvermeidlich korrupt abschreiben, wenn wir uns zurücklehnen und den von uns gewählten Politikern die Schuld geben, ohne unsere eigene Rolle bei ihrer Wahl zu beachten. (...)

Michelle - Michelle LaVaughn Robinson, Mädchen von der South Side (Anm: von Chicago) - in den vergangenen 25 Jahren warst du nicht nur meine Frau und die Mutter meiner Kinder, sondern auch meine beste Freundin. Du hast eine Rolle angenommen, um die du nicht gebeten hast und hast sie dir zu eigen gemacht, mit deiner Anmut, mit Durchhaltevermögen und Stil und Humor. Du hast das Weiße Haus zu einem Ort gemacht, der allen gehört. Und die junge Generation setzt sich höhere Ziele, weil sie dich als ein Vorbild hat. Du hast mich stolz gemacht. Und du hast das Land stolz gemacht. (...)

Und deshalb verlasse ich diese Bühne heute Abend sogar noch optimistischer für dieses Land als damals, als wir begonnen haben. Weil ich weiß, dass unsere Arbeit nicht nur so vielen Amerikanern geholfen hat, sondern auch so viele Amerikaner inspiriert hat - vor allem so viele junge Menschen da draußen - zu glauben, dass man etwas verändern kann. (...)

Meine Landsleute, es war die größte Ehre meines Lebens, euch zu dienen. Ich werde damit nicht aufhören. Vielmehr werde ich hier bei euch sein, als Bürger, für den Rest meines Lebens. Doch für jetzt - ob ihr nun jung seid oder jung im Herzen, ich habe eine letzte Bitte an euch als euer Präsident - dasselbe, worum ich euch gebeten habe, als ihr mir vor acht Jahren eine Chance gegeben habt. Ich bitte euch, zu glauben. Nicht an meine Fähigkeit, Veränderungen herbeizuführen, sondern an eure.

Ich bitte euch, an jenem Glauben festzuhalten, der in unseren Gründungsdokumenten festgeschrieben ist, jener Idee, die von Sklaven und Sklavereigegnern geflüstert wurde, jenem Geist, der von Einwanderern und Siedlern besungen wurde, und von jenen, die für Gerechtigkeit marschierten. Jenes Bekenntnis, das von jenen bekräftigt wurde, die auf Schlachtfeldern im Ausland und auf dem Mond Flaggen hissten - ein Bekenntnis, das im Innersten eines jeden Amerikaners ist, dessen Geschichte noch nicht geschrieben wurde: Yes we can. Yes we did. Yes we can.“

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