Tote und hunderte Verletzte in Kairo

Kairo (dpa) - Nach brutalen Straßenkämpfen zwischen Islamisten und Oppositionellen blicken nun alle Ägypter auf Präsident Mohammed Mursi. In der Nacht zum Donnerstag wurden bei den Ausschreitungen in Kairo und Suez mindestens fünf Menschen getötet.

Von sieben Toten und insgesamt 771 Menschen Verletzten sprach der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira am Donnerstagabend unter Berufung auf die Behörden. Die Polizei nahm 150 Verdächtige fest.

Die Republikanische Garde errichtete am Nachmittag einen Schutzwall vor dem Palast und forderte die Demonstranten auf, sich zurückzuziehen. Die Anhänger der Muslimbruderschaft hielten sich daran und zogen ab. Einige Mursi-Gegner aber demonstrierten weiter, und andernorts gab es erneut Krawalle. Ob Mursi den Verfassungsstreit nun doch mit einem Kompromissvorschlag lösen will, blieb bis zum Abend unklar.

Verwirrung gab es um eine angeblich geplante Rede Mursis: Während es zunächst geheißen hatte, er plane eine Ansprache noch für den Donnerstag, war später nur noch von einer möglichen Stellungnahme in der Nacht die Rede. Der Nachrichtensender Al-Arabija meldete, Mursi wolle in der Nacht eine „wichtige Entscheidung“ bekanntgeben. Im Präsidentenpalast empfing Mursi nach Informationen der Zeitung „Al-Masry Al-Youm“ Justizminister Ahmed Mekki. Es hieß, man suche nach einem Ausweg aus der aktuellen Krise.

Nach Angaben des Gesundheitsministerium wurden in der Nacht zum Donnerstag fünf Leichen in die Krankenhäuser im Osten der Stadt gebracht. Ärzte bemühten sich außerdem, das Leben eines Fotografen der Zeitung „Al-Fagr“ zu retten. Er war bei den Krawallen vor dem Präsidentenpalast von einem Geschoss am Kopf getroffen und später für klinisch tot erklärt worden.

Die Krawalle vor seinem Regierungssitz hatten am Mittwoch begannen, als Muslimbrüder Zelte zerstörten, die Aktivisten aus Protest gegen die Machtpolitik der Islamisten vor dem Präsidentenpalast aufgebaut hatten. Die Zusammenstöße zwischen den Oppositionellen und Anhängern der regierenden Islamisten-Parteien und Oppositionellen waren die heftigsten Ausschreitungen seit dem Amtsantritt Mursis Ende Juni.

Die Republikanische Garde fuhr anschließend mit Panzern vor dem Präsidentenpalast auf. Ein Sprecher betonte, es handele sich nicht um Soldaten der Armee. Zuvor war über einen möglichen Militärputsch spekuliert worden.

Entzündet hatte sich der Streit an einem Dekret Mursis, mit dem dieser seine Machtbefugnisse für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung auf Kosten der Justiz ausgeweitet hatte. Am 15. Dezember soll über die neue Verfassung abgestimmt werden.

In Berlin rief Außenminister Guido Westerwelle (FDP) die Konfliktparteien in Ägypten zum Dialog auf. Beide Seiten müssten „auf eine politische Lösung hinarbeiten, damit diese Kontroverse überwunden werden kann“, sagte Westerwelle. Zugleich äußerte er sich „bestürzt“ über die jüngste Entwicklung. Mit dem Verfassungsprozess solle Ägypten eigentlich geeinigt werden. Zunehmend sei damit jedoch eine „gesellschaftliche und politische Spaltung“ verbunden.

Die Kairoer Tageszeitung „Al-Shorouk“ berichtete auf ihrer Webseite, ein weiterer Berater des Präsidenten habe aus Protest gegen die Gewalt auf den Straßen seinen Rücktritt erklärt. Mohammed Esmat Seif al-Daula ist damit der siebte Berater von Mursi, der sein Amt niederlegt.

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