Mindestens 58 Opfer Todesschütze stürzt Las Vegas in Trauer

Las Vegas (dpa) - Country-Music, Vergnügungsshows, pralles Leben: Normalerweise steht Las Vegas für das gut gelaunte Amerika, eine Glitzerwelt als Synonym für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.

Mindestens 58 Opfer: Todesschütze stürzt Las Vegas in Trauer
Foto: dpa

Am Sonntagabend setzte ein Todesschütze dem scheinbar endlosen Vergnügen in der Wüste Nevadas ein jähes Ende: Aus dem 32. Stockwerk des mondänen Mandalay Bay Hotels feuerte er in eine Menge von mehr als 22 000 Menschen. Minutenlang.

Sie lauschten gerade fröhlich dem Gesang von Jason Aldean, einem Country-Künstler, der im Rahmen des Festivals Route 91 Harvest aufgetreten war. Tausende mussten mit ansehen, wie neben ihnen Menschen starben, von tödlichen Kugeln getroffen. Die furchbare Bilanz: Mindestens 58 Menschen sind tot, mehr als 515 werden verletzt - viele von ihnen schwer. Es ist das schwerwiegendste Verbrechen in der neueren Geschichte der USA. Im vergangenen Jahr hatte ein Schütze in einer Diskothek in Orlando (Florida) um sich geschossen. Damals starben 49 Menschen.

Selbst eine Metropole wie Las Vegas stößt angesichts der Dimensionen an ihre Grenzen. Die Blutkonserven werden knapp, Sheriff Joseph Lombardo fordert die Menschen beinahe flehentlich auf, ihr Blut zu spenden. Die Notaufnahmen der Krankenhäuser gelangen an ihr Kapazitätslimit. Ärzte, Krankenschwestern, kommen aus dem Urlaub zurück, um zu helfen. Viele Patienten sind schwer verletzt - andere können Stunden später wieder entlassen werden.

Polizei und Einsatzkräfte machen einen Ausnahmejob. „Die Art und Weise, wie der Sheriff und die Polizei diese Angelegenheit angepackt haben, ist ohne Beispiele“, sagt Gouverneur Brian Sandoval. Sheriff Lombardo wird zum Gesicht des Hilfseinsatzes. Die ganze Nacht lang und bis weit in den Montag hinein tritt der erfahrene Polizist alle zwei Stunden vor die Medien - während er selbst um Kollegen trauert, die im Kugelhagel starben. Die Nation, die Welt soll wissen, was in seiner Stadt passiert ist. Im Mandalay Bay Hotel, wo einst Wladimir Klitschko boxte und weltweit beachtete Shows stattfinden.

Nach Lage der Dinge hatte sich der Verdächtige, der 64 Jahre alte Stephen Paddock, im Mandalay Bay Hotel eingemietet - möglicherweise schon mit dem Ziel, zu töten. Mehr als zehn Gewehre hatte er bei sich, erklärt Lombardo. Eine 62 Jahre alte Frau, nach der die Polizei zunächst gesucht hatte, war nicht bei ihm. „Nach unseren Erkenntnissen war sie nicht im Land“, sagt Lombardo. „Er hat die Waffen selbst ins Hotel gebracht.“

Paddock scheint ein Normalo zu sein - blondes, schütteres Haar, leichter Bartwuchs - keine äußerlichen Auffälligkeiten, kein einschlägiger Eintrag in der Kriminalitätskartei. Auch eine Durchsuchung seiner Wohnung in Mesquite, 130 Kilometer von Las Vegas entfernt, bringt zunächst keinerlei Erkenntnisse. Ein paar Waffen, zusätzlich zu den mehr als zehn Gewehren, die er ohnehin in dem Hotelzimmer dabei hatte - sonst nichts. Ein Bekenntnis des Islamischen Staates (IS), der Attentäter sei ein Terrorist des Netzwerkes, erweist sich zunächst als nicht stichhaltig. Es gebe keine Hinweise auf eine Verbindung zu irgendeiner internationalen Terrororganisation, teilt die Bundespolizei FBI mit.

Wie aus dem Nichts eröffnet der Täter das Feuer, durch das zuvor mit einem Hammer eingeschlagene Fenster seines Hotelzimmers, mit einer automatischen Waffe - vermutlich einem Sturmgewehr. Minutenlang fallen Schüsse, erzählen Augenzeugen. Von 10 bis 15 Minuten ist die Rede. Ohrenbetäubend tönt das Stakkato der Schüsse durch die Flucht des Las Vegas Strips. „Die Menschen warfen sich auf den Boden, sie lagen übereinander“, erzählt eine Frau weinend im Sender CNN. Einige seien verzweifelt unter Autos gekrochen, um Schutz zu finden. Männer und Frauen berichten, wie wenige Schritte von ihnen entfernt, Menschen von Kugeln getroffen werden.

Wenig später stürmen Spezialkräfte das Hotel, sprengen die Tür zum Zimmer des Verdächtigen frei. Schon kurz zuvor, so schildert es der Sheriff, hatte Paddock seine Waffe gegen sich selbst gerichtet. Sein Motiv ist auch zwölf Stunden nach der Tat noch völlig unklar. „Wir haben keine Ahnung, wie er so etwas tun konnte“, sagt der Bruder des mutmaßlichen Täters US-Medien.

Paddock zeigte sich bisher als weitgehend unbescholtener Bürger. Die Polizei fand lediglich einen Eintrag in seiner Kartei, der Jahre zurückliegt, ein Verkehrsdelikt. Paddock lebte rund 80 Meilen nördlich von Las Vegas, offenbar ein unauffälliges Leben.

Die Gewalttat von Las Vegas dürfte in den USA die Debatte um den Zugang zu Schusswaffen wieder neu entfachen. Nevada zählt zu den Staaten mit laxeren Regulierungen für Waffenbesitz, Schusswaffen dürfen dort offen getragen werden. Einem Volksentscheid im vergangenen Jahr, dass zumindest Personenüberprüfungen beim Verkauf von Schusswaffen stattfinden müssen, widersprach der Generalstaatsanwalt des Staates.

US-Präsident Donald Trump ließ sich am Morgen des Montags Stunden Zeit, ehe er sich erst via Twitter und dann auch persönlich an die Nation wandte. Seine Worte waren vergleichsweise sparsam. Die Schüsse seien ein „Akt absoluten Übels“, sagte de Präsident. Die Amerikaner müssten jetzt zusammenstehen. Er erntete keinen Widerspruch.

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