Analyse Schwereres Amt als der Papst: Martin Schulz und die GroKo

Berlin (dpa) - Mit heiserer Stimme gratuliert Martin Schulz dem Arbeitgeberpräsidenten Ingo Kramer. Der Chef des Arbeitgeberverbands BDA war am Tag vorher in seinem Amt bestätigt worden. „Nächsten Donnerstag mache ich es Ihnen nach“, sagt der SPD-Chef.

Analyse: Schwereres Amt als der Papst: Martin Schulz und die GroKo
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Aber: „100 Prozent mache ich nicht mehr, bekomme ich auch nicht mehr“, sagt Schulz voraus. Tatsächlich wirkt die SPD unter Schulz ziemlich ungeordnet in der aktuellen Regierungskrise. An diesem Donnerstag könnte sich anbahnen, wie es weitergeht in Deutschland. Genau eine Woche später tritt Schulz dann auf dem SPD-Parteitag wieder für das Spitzenamt bei den Genossen an.

Erstmal sind CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und Schulz am Donnerstagabend bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Gast. Die Runde lotet Auswege aus dem regierungspolitischen Vakuum in Deutschland aus. Schulz ist mittlerweile für alles offen, wie er vor dem SPD-Nachwuchs gesagt hatte: „Ich strebe gar nichts an.“

Klarheit klingt anders. Trotz geschwächter Autorität dürfte Schulz nächste Woche aber beim SPD-Parteitag wiedergewählt werden, wenn auch nicht mit 100 Prozent wie im März. In der SPD setzen nicht zuletzt die Anhänger einer neuen großen Koalition auf Schulz - denn bei der skeptischen Basis genießt der Mann aus Würselen weiterhin Ansehen und Respekt.

Doch wie sich eine deutliche Ansage anhört, konnte man zuletzt nicht von Schulz, sondern von SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles erleben. Sie sagte den Jusos, dass sie nichts von deren rigorosem Nein zu einer neuen GroKo hält. Und dann ist da auch noch Außenminister Sigmar Gabriel, der wenig Hehl daraus macht, dass er an der SPD-Spitze Führung vermisst. Bei der SPD-Linken wiederum gibt es nicht wenige Befürworter einer Minderheitsregierung.

Es ist also kein Wunder, dass Schulz sein Amt im Moment offenbar wenig Spaß macht. Auf dem Arbeitgebertag räumt er das am Mittwoch unumwunden ein - mit einem Zitat des früheren SPD-Chefs Franz Müntefering, der den Posten als „das schönste Amt neben dem Papst“ bezeichnet hatte. „Der (Papst) hat's schwer“, meint Schulz, „aber ich würde sagen: Nicht so schwer wie ich.“

Kommt nun also die nächste große Koalition, auch wenn Schulz sie bisher so kategorisch abgelehnt hat? So schnell wird es wohl nicht gehen, aber mittlerweile wäre alles andere immer mehr eine Überraschung. So richtet Merkel den Arbeitgebern per Videobotschaft aus: „Deutschland und Europa brauchen Stabilität.“ Und auch Schulz gibt sich staatsmännisch: „Wir brauchen Verlässlichkeit und Stabilität.“

Zugleich holt Schulz Kernbestandteile seines Wahlkampf hervor. Neben Wirtschaftskraft sei sozialer Zusammenhalt wichtig. „Deshalb werde ich weiterhin Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen“, sagt er. „Es gibt in unserem Land Schulen, wo es durchs Dach regnet oder wo die Kinder nicht auf die Toilette gehen können“, meint er. Eine große Bildungsinitiative von Bund, Ländern und Kommunen tue Not.

Welche Rolle spielt nun Steinmeier? Der Präsident tue alles, um Neuwahlen zu vermeiden, heißt es von Politikern, die in den vergangenen Tagen bereits ins Bellevue geladen waren. So könnte es jetzt am Donnerstag darauf herauslaufen, dass Union und SPD weitere Gespräche verabreden.

Ernüchtert zeigen sich die Arbeitgeber, zumindest in den Kaffeepausen ihres großen Treffens in Berlin. Hier gibt es mehr Fans von Jamaika aus Union, Grünen und FDP als von Schwarz-Rot. Geladen ist auch FDP-Chef Christian Lindner, er hat das Wohlwollen auch nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen auf seiner Seite. „Es war nicht die große Innovation, der Politikwechsel möglich“, verteidigt er sich wieder einmal.

Doch BDA-Chef Kramer bleibt moderat. Zwar fordert der Wirtschaftsmann weniger Bürokratie und mehr Wirtschaftsfreiheit, wie es sich für einen Arbeitgeberpräsidenten gehört. Doch Kramer listet auch Forderungen wie einen flächendeckenden Ausbau von Ganztagskitas oder das Ende des Kooperationsverbots von Bund und Ländern in der Bildung auf. Schulz formuliert es zwar etwas dramatischer, warum er das alles für nötig hält, aber inhaltlich nicht anders. Ein Arbeitgeberschreck ist er nicht.

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