„Sandy“ löst Alarm im ältesten US-Atomkraftwerk aus

New York/Washington (dpa) - Mitten im Wirbelsturm bekommt nicht nur der älteste Meiler der USA Probleme. Mit der Katastrophe von Fukushima sei das nicht zu vergleichen, meint ein deutscher Experte. Die erhöhte Alarmbereitschaft sei aber berechtigt.

Wirbelsturm „Sandy“ hat gleich in mehreren Atomkraftwerken im Großraum New York zu Reaktorabschaltungen geführt. Im ältesten Atomkraftwerk der USA wurde Alarm ausgelöst, weil der Pegel im Kühlwasser-Reservoir durch die reguläre Flut, die Windrichtung und das Hochwasser extrem anstieg. Das teilte die Atomaufsichtsbehörde NRC am Dienstag mit. Alle betroffenen Reaktoren in den Bundesstaaten New York und New Jersey seien in einem sicheren Zustand, hieß es. Der Nukleartechnik-Experte für das deutsche Öko-Institut, Stephan Kurth, sprach im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur von einer insgesamt brenzligen Situation.

Als direkte Folge des Hurrikans wurden in der Nacht zum Dienstag die Reaktoren Salem 1 in Hancocks Bridge (Bundesstaat New Jersey) sowie Nine Mile Point 1 in Scriba und Indian Point 3 in Buchanan (beide New York) vom Netz genommen. Ursache seien Probleme mit der internen Stromversorgung nach „Sandy“, teilte NRC mit.

Der älteste Reaktor des Landes, Oyster Creek, war bereits vor dem Sturm abgeschaltet worden. Im Kühlwasser-Reservoir des am Atlantik gelegenen Kraftwerks sei der Wasserstand deutlich gestiegen. Der Meiler stehe weiter unter besonderer Beobachtung. Oyster Creek ist seit 1969 am Netz. Der Meiler steht etwa 60 Kilometer von der Millionenmetropole New York entfernt.

Der deutsche Nuklearexperte Kurth sieht per Ferndiagnose keine Gefahr, dass dort Radioaktivität austritt. „Aber die Situation ist brenzlig“, sagte er. „Ein Teil der Sicherheit ist schon eingebüßt, weil durch das Hochwasser Anbindungen in die Umgebung verloren gehen können - zum Beispiel an das Stromnetz.“

Wenn die Stromversorgung ausfalle, seien die Anlagen auf Notstrom angewiesen. Dafür stünden Dieselgeneratoren bereit, teilten die US-Behörden mit. „Man muss dann darauf bauen, dass die Dieselgeneratoren auch arbeiten und genug Treibstoff für sie vorhanden ist“, betonte Kurth. „Sind die Diesel-Vorräte erschöpft, muss man Nachschub mit Tanklastern heranfahren. Das kann bei stehendem Wasser auf zerstörten Straßen schwierig werden.“ Die in Oyster Creek getroffenen Vorsorgemaßnahmen bezeichnete er als wirksam, auch weil das Kraftwerk rechtzeitig abgeschaltet worden sei.

Einen direkten Vergleich mit der Katastrophe im japanischen Fukushima wies Kurth zurück. „Aber es gibt insofern Parallelen, dass wir auch in Japan Stromausfall und Überschwemmungen hatten. Aber um es ganz brenzlig zu machen, müssten in Oyster Creek weitere schwere Schäden dazukommen, die zum Ausfall der Kühlung führen.“ In Fukushima hatte es 2011 durch Flutwellen nach einem Seebeben einen katastrophalen Atom-Unfall gegeben.

Nach Angaben der US-Behörden war in Oyster Creek zunächst ein „ungewöhnliches Ereignis“ verzeichnet worden, die niedrigste der vier Stufen des Alarmsystems. Etwas später sei der Vorfall dann um eine Stufe auf „Alarm“ heraufgesetzt worden. Auch durch den starken Regen sei das Wasser zunächst weiter gestiegen. In den folgenden Stunden sollte es aber rasch ablaufen, hieß es von der Behörde.

Die Experten der NRC hätten alle fast ein Dutzend Kernkraftwerke im Bereich von „Sandy“ kontrolliert. Alle seien in einem sicheren Zustand. Einige seien aber zuvor abgeschaltet worden.

Vor allem in älteren US-Atomkraftwerken kommt es immer wieder zu Problemen. Der Meiler in Oyster Creek war im Juli nach einem Stromausfall vorübergehend vom Netz genommen worden. Mit seiner vergleichsweise geringen Leistung von 645 Megawatt können etwa 600 000 US-Haushalte mit Strom versorgt werden. Oyster Creek soll 2019 ganz abgeschaltet werden.

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