Report: Whistleblower haben es schwer

Berlin (dpa) - Als der Bankangestellten Andrea Fuchs die illegalen Machenschaften ihres Arbeitgebers auffielen, meldete sie das ihrem Chef. Der wollte aber nichts gegen die Insider-Geschäfte im Aktienhandel unternehmen.

Fuchs bekam Hausverbot und wurde gefeuert.

Sie ging vor Gericht und gewann, bekam trotzdem ihren Job nicht zurück. Schließlich sah sie keinen Ausweg mehr und wandte sich an die Medien.

Whistleblower - Tippgeber - sind umstritten. Wer in der eigenen Firma oder Behörde auf Missstände hinweist, stößt oft auf taube Ohren. Wer dann wie Andrea Fuchs an die Öffentlichkeit geht, gilt gar als Verräterin. Wikileaks-Gründer Julian Assange gilt vielen US-Politikern als Staatsfeind, weil auf der Plattform Geheimdokumente veröffentlicht werden, die die Weltmacht in ein schlechtes Licht rücken.

Tippgeber werden in Deutschland häufig verschmäht. „In den meisten Fällen wird das Geben von Hinweisen als ein Loyalitätsbruch gesehen“, sagt Peter Hammacher von Transparency International. Whistleblower gelten oftmals als „Verräter“ oder „Denunzianten“. Mit brisanten und geschäftsschädigenden Informationen an die Öffentlichkeit zu gehen, ist oft nicht ohne Risiko: Ängste vor Mobbing und Einschüchterungen bis hin zu Versetzungen und Kündigung sind berechtigt.

Viele Informanten lassen sich daher ihre Hinweise bezahlen. Damit bewegen sie sich auf einem schmalen Grat zwischen ethischem Handeln und Geschäftemacherei. Entsprechend schätzt Dieter Deiseroth, Richter am Bundesverwaltungsgericht, die Situation ein. „Jemand, der seine Informationen an Medien verkauft oder an Geheimdienste, ist kein Whistleblower.“ Der Datendieb Heinrich Kieber, der eine Daten-CD entwendet und an den Bundesnachrichtendienst verkauft hat, ist damit „nur“ ein Insider.

Ob am Ende von einem „Gutmenschen“ oder Denunzianten gesprochen wird, ist auch eine Frage der Kultur, findet Hammacher. „In den USA herrscht im Umgang mit Whistleblowern eine ganz andere Tradition.“ Laut „Financial Times“ erwägt die US-Regierung sogar, Hinweisgebern eine Prämie für ihre Tipps zu zahlen. Ein solches Anreizsystem wäre in Deutschland kaum denkbar. Hierzulande seien Hinweise an den Staat seit dem Dritten Reich und der DDR negativ besetzt, sagt Hammacher.

Immerhin hat das Landeskriminalamt von Niedersachsen eine Internetplattform eingerichtet, bei der Hinweise anonym angegeben werden können. „Wir bekommen jährlich über 300 Hinweise“, sagt der Leiter des Bereiches Ermittlungen, Wolfgang Lindner. „Fast zwei Drittel aller Hinweise betreffen Wirtschaftsdelikte.“

Auch für die Unternehmen stellt der Umgang mit Whistleblowern eine Herausforderung dar. In den meisten Firmen hat sich in Deutschland aber ein internes Hinweisgebersystem noch nicht durchgesetzt. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC bei 500 Großunternehmen hat nur ein Drittel aller Firmen ein solches System eingeführt. Ein Grund, der nach Ansicht von Unternehmen gegen ein solches System spricht, ist die Angst vor Instrumentalisierung für Machtkämpfe und Intrigen.

Dabei würde es sich durchaus lohnen und rechnen, Mitarbeiter zu fördern, die Missstände aufdecken. „Beschäftigte, die bei drohenden Risiken Alarm schlagen, können frühzeitig auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen und damit einem Betrieb, Unternehmen oder einer Dienststelle erhebliche Folgekosten oder Regressansprüche ersparen“, so Deiseroth. Insoweit seien sie eine Art „Frühwarnmechanismus“. Er fordert deshalb „ein Recht auf individuelle Verweigerung der Arbeit aus Gewissensgründen für Beamte, Angestellte und Beamten ausdrücklich im Beamtenrecht bzw. im Arbeitsrecht zu verankern.“

Trotz der vermehrten Aufmerksamkeit für dieses Thema sind bisher keine neuen Gesetzesinitiativen eingebracht worden. Erst im Jahr 2006 diskutierte der Bundestag darüber, ob Tippgeber über das Arbeitsrecht besser geschützt werden sollen als bisher. Weit kam die Debatte nicht: Es blieb lediglich bei einer Anhörung.

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