Report: Selbst die Profiteure klagen über Flüchtlinge

Belgrad (dpa) - Es ist wieder schwül-heiß am Montagvormittag. Nachdem es in den vergangenen Wochen stets um die 40 Grad heiß war, hat es in der Nacht wolkenbruchartig geregnet. Ein kleiner Vorgeschmack auf den Herbst.

Report: Selbst die Profiteure klagen über Flüchtlinge
Foto: dpa

In den Parks der serbischen Hauptstadt Belgrad lagern wieder Hunderte und Aberhunderte Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Pakistan und anderen Ländern. Viele haben sich zum Schutz vor dem Regen zwischen die Autos in zwei Parkhäuser gelegt.

Ihre Struktur hat sich augenscheinlich drastisch verändert. Kamen bisher auch viele Frauen mit ihren kleinen Kindern sowie Alte, sieht man jetzt fast nur junge Männer. Vielleicht zwischen 20 und 40 Jahre. Wenige sind älter, nur vereinzelt Familien. Sie warten auf den Abend, um mit Bussen nach Subotica oder Kanjiza an die serbisch-ungarische Grenze zu fahren.

Dort hat gerade Bürgermeister Mihalj Bimbo die Menschen auf der Flucht wüst als dumm und kulturlos beschimpft - und damit wahrscheinlich sogar vielen seiner Landsleute aus dem Herzen gesprochen. Helfer beklagen die zunehmende Fremdenfeindlichkeit.

Dabei machen nicht wenige Serben ein dickes Geschäft mit dem Elend der anderen. Selbst Regierungschef Aleksandar Vucic verwies in der letzten Woche darauf, dass in Kanjiza viele das Geschäft ihres Lebens mit den Flüchtlingen machten, die im Transit nach Westeuropa sind. Immerhin geben diese Menschen nach Berechnungen des Staatsfernsehens täglich sechs Millionen Euro in Serbien aus.

Der „Boba-Grill“ in der Belgrader Unterstadt brummt. „Das Geschäft könnte nicht besser sein“, sagen die vor heißen Grills schwitzenden Angestellten. Der Fast-Food-Laden wird manchmal regelrecht gestürmt. Ein Schild verspricht den Ausländern Hamburger, Würste und Cevapcici in Halal-Qualität, die also den Speisevorschriften des Korans entsprechen. Daneben geht ein Serbe auf Gästefang. Er verteilt Flyer für das Hostel „Sonya“ um die Ecke. „7-15 Euro“ pro Person, heißt es. „Viel Spaß in Deutschland mit denen“, sagt er bitter.

Vom Kiosk nebenan scheucht eine etwa 50 Jahre alte Serbin ausländische Kundschaft barsch fort. Ihr „smena, smena!“ trifft auf völliges Unverständnis. Sie will sagen: Es ist gerade Schichtwechsel, da verkaufen wir nichts. Die Geschäfte gingen wie geschmiert, sagt sie: Süßes, Telefonkarten und Zigaretten seien die Renner - „alles eben“. Doch über ihre Kunden rümpft sie dennoch verächtlich die Nase. Internetcafes verdienen ein Zubrot mit schneller Küche: Ein Auflauf mit viel Nudeln, wenig Huhn und Joghurtsoße für 600 Dinare (fünf Euro) - ein stolzer Preis für Belgrad.

Beim nahe gelegenen Eisstand verhandelt die Verkäuferin per Handy mit ihrer Chefin. Während sie sonst monatlich 22 000 Dinare (180 Euro) verdient, will sie am explodierenden Umsatz künftig prozentual beteiligt werden. Noch während des Gesprächs scheucht sie einen kleinen Jungen böse weg, der ihrem armseligen Verkaufsstand aus leeren Eiskartons zu nahe gekommen ist. „Die zerstören unser schönes Belgrad“, schimpft sie ins Telefon, „meine Kleider stinken nach denen“.

Um die Parkanlagen kreisen Taxifahrer auf der Jagd nach Kundschaft. Für 250 Euro bringen sie Flüchtlinge an die Grenze zu Ungarn. Mit einer Fahrt verdienen sie damit fast so viel wie in schlechten Monaten in der Stadt. Doch das Geschäft ist gefährlich: Wenn sie Flüchtlinge ohne serbische Notpapiere kutschieren und dabei erwischt werden, wird ihr Fahrzeug beschlagnahmt. Menschenschmuggel nennen das die Strafverfolger.

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