Report: Opfer-Vater rührt die Nation

Newtown (dpa) - In Newtown ringen die Menschen nach dem Amoklauf mit 27 Toten um Fassung - oder wachsen in ihrer schwersten Stunde über sich hinaus. Robbie Parker spricht in bewegenden Worten über seine ermordete sechsjährige Tochter und lässt sie zum Sinnbild der Tragödie werden.

Josephine war schon ein großes Mädchen. Am Dienstag war sie sieben Jahre alt geworden und damit älter als die meisten in ihrer Klasse. Drei Tage später war Josephine tot. Sie wurde wie so viele ihrer Klassenkameraden durch die Schüsse eines Mannes getötet, dessen Tat auch Tage später unerklärlich ist. Zurück bleiben eine Kleinstadt, die nach Antworten sucht und so viele Familien, deren Verlust unbeschreiblich ist.

Mit Josephine starben 19 Kinder. Sie hießen Charlotte, Daniel und Olivia, Ana, Dylan und Madeleine, Catherine, Chase und Jesse, Grace, James und Jack, Emilie, Caroline und Jessica, Avielle, Benjamin und Allison. Der jüngste von ihnen, der kleine Noah, feierte vor drei Wochen seinen sechsten Geburtstag.

Zum Sinnbild der Tragödie wurde Emilie. Das Bild des kleinen lächelnden Mädchens mit den blonden Haaren und den strahlend blauen Augen kennt in den USA inzwischen fast jeder. Ihr Vater Robbie Parker wandte sich an die Öffentlichkeit, obwohl er von Trauer überwältigt kaum sprechen konnte. „Sie war die Art von Mensch, der in einem Raum die Sonne aufgehen ließ“, sagte der junge Mann mit von Trauer gezeichnetem Gesicht. „Sie ist ein unglaublicher Mensch, und ich bin gesegnet, dass ich ihr Vater sein darf.“

„Es ist eine schreckliche Tragödie, und ich möchte, dass alle wissen, dass wir in unseren Herzen und Gebeten bei ihnen sind. Das gilt auch für die Familie des Schützen“, so Parker. Die großherzige Geste hätte seine Tochter so gewollt. „Meine Tochter Emilie wäre eine der ersten, die all diesen Opfern ihre Liebe und Unterstützung geben würde.“ Aber Emilie wurde nur sechs Jahre alt.

„Es ist das schrecklichste, das ich in mehr als 30 Berufsjahren gesehen habe. Und für meine Kollegen gilt das gleiche“, sagt Gerichtsmediziner Wayne Carver. In nüchtern-professionellen Worten erklärte er der entsetzten Öffentlichkeit, dass jedes der Kinder von mehreren Schüssen getroffen wurde. Teilweise fanden sich elf Einschusslöcher in den kleinen Körpern.

Der Täter hatte mit zwei Pistolen und einem Sturmgewehr geschossen. Der Nachbau der Standardwaffe der US-Streitkräfte kostet im Laden etwa 700 Dollar, gekauft hatte ihn die Mutter, genauso wie die beiden Pistolen. Die Frau wurde das erste Opfer ihres Sohnes.

Das Haus, in dem die beiden bis zum Freitag lebten, ist von der Polizei weiträumig abgesperrt. Es ist ein einfaches, aber großes Haus in einer sehr gepflegten Nachbarschaft. Die weißen Holzzäune sehen aus wie aus dem Playmobil-Kasten, die Vorgärten sind tadellos. Straßenlaternen gibt es hier ebenso wenig wie Ampeln, dafür ist einfach zu wenig los. Es ist eben eine Vorstadt - von der besseren Sorte.

Die Flaggen vorn an der Straße wehen alle auf halbmast. Eine Stadt trauert: kaum eine Ecke, an der nicht ein paar Blumen und Teddybären liegen oder Kerzen brennen. Gleich mehrere Mahnwachen und Messen sollte es am Abend geben, bei denen gerade auch der Lehrer gedacht werden sollte. Denn die reagierten nach ersten Erkenntnissen mit bewundernswertem Mut.

Direktorin Dawn Hochsprung - Mutter von zwei eigenen und drei Adoptivkindern - versuchte, den Amokläufer zu überwältigen und zahlte mit dem Leben, so wie vier weitere Lehrkräfte und die Schulpsychologin. Die gerade 27 Jahre alte Lehrerin Victoria Soto stellte sich vor die Kleinen - und starb. Andere versteckten sich mit ihren Schülern in der Toilette und versuchten trotz eigener Todesangst, die wimmernden Kinder zu beruhigen.

„Umarme einen Lehrer“, steht auf einem Plakat im Ort. Auf anderen Transparenten ist zu lesen „Gott schütze Euch“ oder „Wir beten für Euch“. Eines hängt direkt an der Hauptstraße. Es sagt ganz schlicht: „Umarmt heute einfach Eure Lieben!“

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