Porträt: Übergangspräsident Adli Mansur

Kairo (dpa) - Adli Mansur soll Ägypten zu demokratischen Neuwahlen führen. Der Staatschef für den Übergang gilt als versierter Jurist, den angeblich nur das Gesetz interessiert. Unter den Islamisten verstand er sich als Wächter des Rechtsstaats.

Mansur war erst wenige Minuten als Präsident des Verfassungsgerichts vereidigt, als er auf Wunsch des ägyptischen Militärs eine noch größere Aufgabe schulterte. Als Interimspräsident soll er nach dem Sturz des islamistischen Staatschefs Mohammed Mursi das Land am Nil zu Neuwahlen führen. Bis dato kannte kaum jemand in Ägypten den 67 Jahre alten Juristen.

Die offizielle Vita ist karg: Adli Mansur wurde im Dezember 1945 in Kairo geboren. Dort studierte er Jura, ein Stipendium ermöglichte ihm später weitere Studien in Paris. Vor seiner Berufung an das Verfassungsgericht arbeitete der Jurist für die ägyptischen Justizbehörden. Zwischenzeitlich war er einige Jahre als Berater in Saudi-Arabien tätig. Er ist verheiratet, hat zwei Söhne und eine Tochter.

Mansur ist einer der am längsten dienenden Richter am Verfassungsgericht. Ernannt hatte ihn 1992 der autokratische Präsident Husni Mubarak, den im Februar 2011 ein Volksaufstand stürzte. Über die politischen Ansichten Mansurs, sein Weltbild und die Haltung zum alten Regime ist so gut wie nichts bekannt.

Der frühere Vorsitzende des staatlichen Justizrates, Mohammed Hamid al-Gamal, bezeichnete ihn in einem Interview als „fairen und ausgewogenen Juristen“. Für Mansur zähle nur die Verfassung und das Gesetz, sagte Al-Gamal der Tageszeitung „Al-Shabab“. Seine juristische Kompetenz scheint ihn für die vordringlichste Aufgabe im neuen Job zu prädestinieren: die Vorbereitung von Neuwahlen und die Schaffung ihrer gesetzlichen Voraussetzungen.

Indirekten Aufschluss über Mansurs politische Polung geben die erbitterten Kämpfe, die sich das Verfassungsgericht mit den Islamisten lieferte. Die höchsten Richter lösten das von den Muslimbrüdern und ihren Verbündeten beherrschte Unterhaus des Parlaments auf, weil bei dessen Wahl im Vorjahr gegen die Wahlgesetze verstoßen worden war. Zuletzt erklärten sie den Entwurf des neuen Wahlgesetzes für ungültig.

Mursi schlug zurück: Per Selbstermächtigung entzog er Ende 2012 seine eigenen Dekrete der Jurisdiktion des Verfassungsgerichts. Nach massiven Straßenprotesten musste er dies zurücknehmen.

Geht man von seiner Erfahrung aus, dürfte Mansur einer der tonangebenden Richter in dem Gremium gewesen sein. Der Schluss liegt nahe, dass er sich in diesen Konflikten als Wächter des Rechtsstaats gegenüber den Machtanmaßungen der Muslimbrüder verstand. Vor den Präsidentschaftswahlen 2012 stand er jenem Senat vor, der über ein Gesetz zu befinden hatte, das Exponenten des gestürzten Mubarak-Regimes von der Wahl ausgeschlossen hätte.

Der Senat hob es auf. Ob die Richter aus Liebe zu den demokratischen Prinzipien oder wegen ihrer eigenen Nähe zum alten Regime so entschieden haben, lässt sich nicht rekonstruieren. Jedenfalls konnte so Mubaraks letzter Regierungschef Ahmed Schafik zum Urnengang antreten. Er unterlag erst in der Stichwahl knapp gegen Mursi.

Im Mai bestimmte Mursi Mansur zum Nachfolger von Maher al-Behairi am obersten Verfassungsgericht - mit Zustimmung der Generalversammlung der Richter. Al-Behairi ging Ende Juni in den Ruhestand. Mansur legte am Donnerstag zuerst den Eid als Präsident des Verfassungsgerichts ab - und Minuten später den als Interimspräsident Ägyptens.

Bei der Beförderung Mansurs an die Spitze des höchsten Gerichts hatte Mursi keinen Ermessensspielraum. Denn nach dem geltenden Recht musste er einen der drei am längsten amtierenden Stellvertreter des Gerichts für das hohe Amt auswählen. Auch die Zustimmung der Vollversammlung war zwingend vorgeschrieben. Vor dem Arabischen Frühling 2011 konnte der ägyptische Präsident noch selbst frei entscheiden, wen er auf diesen Posten setzt.

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