Porträt: Joachim Gauck

Berlin (dpa) - Das Leben Joachim Gaucks kennt tiefe Brüche, zwei Diktaturen hat er erlebt und ihren Kollaps. Das Ende der DDR war der Beginn seiner Zeit als Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. Nun steht Gauck mit 72 Jahren vor einem neuen Umbruch.

Den „Liebhaber der Freiheit“ erwarten nach seiner Wahl zum elften Bundespräsidenten enorme Herausforderungen.

Der evangelische Pfarrer aus Rostock gilt als brillanter Redner, an Selbstbewusstsein mangelt es ihm nicht. Reden halten wird er auch in Zukunft, die Erwartungen sind aber ganz andere, die Risiken, besonders auf Auslandsreisen, auch. Seine internationalen Erfahrungen sind bisher noch begrenzt. Vor allem aber erwarten die Bundesbürger, dass er dem Amt des Staatsoberhaupts nach zwei Rücktritten in Folge wieder Ansehen und Glaubwürdigkeit zurückgewinnt.

Jahrelang war Gaucks Name vor allem mit der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit verknüpft. Am Tag der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 übernahm er die nach ihm benannte Behörde. Bis zum Jahr 2000, als er die Leitung an Marianne Birthler abgab, prägte Gauck im wiedervereinten Deutschland den Blick auf die DDR-Geschichte.

Schon im Sommer 2010 wurde der parteilose Bürgerrechtler von SPD und Grünen zum Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten nominiert. Dass er bei der Wahl nach Horst Köhlers Rücktritt knapp am CDU-Mann Christian Wulff scheiterte, schmälerte seine Popularität und sein Renommee nicht, im Gegenteil.

Gauck kam 1940 in Rostock zur Welt. Sein Vater verschwand für lange Zeit in einem Lager in Sibirien. Da war Gauck sechs Jahre alt. Als evangelischer Pastor erlebte er, wie das DDR-Regime gegen Kirchenmitglieder vorging. Als sich 1989 in der Bevölkerung der Widerstand gegen die SED-Führung formierte, führte Gauck als Sprecher des Neuen Forums in Rostock Demonstrationen an.

Nach der Wende trennte er sich von seiner Frau. Seit zwölf Jahren ist er nun mit der Nürnberger Journalistin Daniela Schadt liiert. Ob die beiden heiraten werden, ist noch nicht entschieden. Dazu müsste sich Gauck erst von seiner Frau Gerhild scheiden lassen. Zu seinen vier Kindern, von denen drei die DDR vor 1989 verließen, hat er inzwischen ein entspannteres Verhältnis. Das war nicht immer so.

Der älteste Sohn Christian, heute Arzt in Hamburg, berichtete in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, wie wenig Vater Gauck präsent war in der Familie. Er war selten zu Hause, und wenn er da war, dann war die Wohnung im Rostocker Plattenbau voll mit anderen Leuten. Ein herzliches Verhältnis zu seinen Kindern hatte Gauck damals nicht. Allerdings habe er manches Defizit aufgearbeitet, sagt der Sohn.

In das neue Amt muss Gauck, wie jeder vor ihm, erst hineinwachsen. In Zukunft werden seine Worte noch genauer gehört und kritisch beurteilt werden. In der Vergangenheit hat man versucht, ihm eine gewisse Nähe zu ausländerfeindlichen Thesen des Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin zu unterstellen oder Geringschätzung der jungen Occupy-Bewegung. Aus dem Zusammenhang gerissen, hieß es. Aber das darf künftig nicht mehr passieren.

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