Opel beendet Autobau in Bochum: „Das war längst überfällig“

Frankfurt/Bochum (dpa) - Es ist ein schwarzer Tag für die Opelaner in Bochum. In ihrem Werk rollt in vier Jahren das letzte Auto vom Band. Es wird ein Zafira-Minivan sein. Anschließend ist nach mehr als einem halben Jahrhundert mit der Produktion ganzer Fahrzeuge Schluss.

Die Mitarbeiter sind aufgebracht und enttäuscht. Das ohnehin vom Strukturwandel schwer getroffene Ruhrgebiet verliert weitere bis zu 3000 Jobs. Und doch, sagen Experten, ist die Entscheidung richtig.

Denn Opel verkauft viel weniger Autos, als die Werke hergeben. Und das schon seit Jahren. „Ich möchte daran erinnern, dass auch im Spitzenjahr 2007 Opel in Europa keine Vollauslastung hatte. Wir können weiter träumen, von tollen Märkten. Oder wir können der Realität ins Auge schauen“, sagt Opel-Interimschef Thomas Sedran: „Wenn wir so weiter machen wie in den vergangenen zehn Jahren, wird es nicht besser.“ Im Klartext: Wenn jetzt nicht die Reißleine gezogen wird, könnte es irgendwann für alle Standorte zu spät sein.

Denn Bänder, die nur zeitweise laufen, kosten trotzdem Geld - was seit Jahren zu den massiven Verlusten beiträgt, die Opel einfährt. Der in den USA sitzende Mutterkonzern General Motors rechnet alleine in diesem Jahr in seinem Europageschäft mit einem operativen Minus von umgerechnet bis zu 1,4 Milliarden Euro.

„Es könnte einer der Ansätze sein, endlich mal wieder bessere Zeiten zu sehen“, sagt Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler zur Schließung der Bochumer Autoproduktion. Es handele sich schließlich nicht um eine kleine Krise, die von alleine vorübergehe. „Bei Opel ist das eine fundamentale Krise, die Maßnahmen auf der Kostenseite erfordert.“ In die gleiche Kerbe schlägt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach: „Das war längst überfällig.“

Pieper und Bratzel gehören dabei nicht einmal zu den Hardlinern ihrer Zunft. Die Analysten der Wall-Street-Bank Morgan Stanley hatten zwischenzeitlich sogar die Radikallösung gefordert: „Wir glauben, dass es für GM an der Zeit ist, ein neues Zuhause für Opel zu finden“, schrieben sie in einer Studie. „Es gibt in der Autoindustrie nichts Schlimmeres als einen Geld verbrennenden, Ressourcen fressenden Geschäftszweig.“

Doch General Motors will sanieren - mit allen schmerzhaften Konsequenzen. Ein Käufer dürfte ohnehin schwer zu finden sein, denn der europäische Automarkt liegt am Boden. Der US-Erzrivale Ford sah sich bereits gezwungen, das Aus für drei Werke in Belgien und Großbritannien zu verkünden. Dabei fallen 6200 Jobs weg. Peugeot will ein Werk bei Paris dichtmachen und auch andernorts die Produktion drosseln. Das kostet weitere 6500 Arbeitsplätze. Fiat hat erst in der vergangenen Woche angekündigt, die Fertigung im polnischen Werk Tychy herunterzufahren und dabei 1500 Stellen zu streichen.

Nach dem Plan aus Rüsselsheim sollen betriebsbedingte Kündigungen in Bochum vermieden werden und maximal 3000 Stellen wegfallen. Läuft alles rund, könnten es auch weniger sein: Mehrere hundert Jobs könnten in einem neuen Komponentenwerk entstehen, zudem will das Unternehmen mit Stadt, Land und Betriebsrat Investoren finden, die am Standort alternative Jobs schaffen. Ob das gelingt, ist offen. Sedran: „Ist es billiger, den Zafira früher aus Bochum rauszunehmen? Ja. Aber wir wollen faire, vernünftige Lösungen finden. Wir haben vier Jahren und in der Zeit wird uns viel gelingen.“

Nach einer Analyse der Beratungsgesellschaft PwC sind aktuell 15 Autowerke in Europa so schwach ausgelastet, dass die Hersteller sie auf den Prüfstand stellen müssten. Die Schließung von Bochum nehme immerhin etwas Druck von den anderen Opel-Standorten, sagt Experte Bratzel. Der Befreiungsschlag sei dies jedoch nicht. „Da braucht es mehr.“

Analyst Pieper sieht den Autobauer aber auf dem richtigen Weg: Es gebe neue Modelle wie den Kleinwagen Adam und den SUV Mokka. Zudem deute sich an, dass der VW-Manager Karl-Thomas Neumann neuer Chef bei Opel werde. „Wenn das so käme, wäre das ein Glücksgriff fürs Unternehmen.“ Es könne ein Neuanfang für Opel sein, sagt Pieper. Die Bochumer Opelaner wird das wenig trösten.

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