Mali: UN-Helfer rechnen mit Flüchtlingsstrom

Genf (dpa) - Angesichts andauernder Kämpfe sowie grausamer Verbrechen an der Zivilbevölkerung im Norden Mali stellen sich die UN auf einen großen Flüchtlingsstrom ein.

Mehr als 700 000 Menschen könnten sich in nächster Zeit zur Flucht innerhalb Malis sowie über die Grenzen in benachbarte Länder gezwungen sehen, schätzt das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) nach eigenen Angaben. Damit könnte die Gesamtzahl der seit Beginn des Konflikts im Frühjahr 2012 geflohenen Malier innerhalb und außerhalb des Landes auf mehr als eine Million ansteigen.

Außer den Gefechten zwischen den von Frankreich unterstützen Regierungstruppen und islamischen Extremisten gaben Zeugen in Gesprächen mit Helfern massive Übergriffe durch die Rebellen als Fluchtgrund an. Sie hätten willkürliche Hinrichtungen sowie „Bestrafungen“ durch das Abtrennen von Gliedmaßen unter Berufung auf die Scharia (islamische Rechtsprechung) geschildert, berichtete UNHCR-Sprecherin Melissa Fleming.

Zahlreiche solcher Vorwürfe werden auch in einem Bericht des UN-Menschenrechtsrates zur Lage in Mali dokumentiert, über den am selben Tag in Genf informiert wurde. So sollen die islamistischen Aufständischen im vergangenen Jahr zahlreiche Schüler als „menschliche Schutzschilde“ vor Angriffen der Armee missbraucht haben. Zudem hätten sie in einem Fall 94 von 153 bereits entwaffnete Soldaten umgebracht. Die Armee habe ihrerseits aus Rache gefangene Tuareg-Rebellen willkürlich getötet.

Viele Frauen seien im Norden Malis Opfer von Vergewaltigungen geworden, heißt es in dem Expertenbericht, der auch der UN-Vollversammlung in New York übergeben wurde. Vergewaltigten oder sexuell belästigten Frauen sei teils vorgeworfen worden, sie hätten ihre Körper nicht ausreichend verhüllt oder es gewagt, Motorrad zu fahren.

Vergewaltigungen vor den Augen von Familienmitgliedern seien oft gegen Angehörige bestimmter ethnischer Gruppen gezielt als Mittel zu deren Einschüchterung begangen worden. Zudem seien Mädchen von erst zwölf Jahren mit islamistischen Kämpfern zwangsverheiratet worden, heißt es in dem Bericht des UN-Menschenrechtsrates. Alle dort dokumentierten Fälle beziehen sich auf das zurückliegende Jahr.

Das UNHCR stellt sich nach Angaben der Sprecherin auf bis zu 300 000 Menschen ein, die innerhalb Malis Zuflucht suchen, und 407 000, die in benachbarte Länder fliehen. Seit dem Frühjahr 2012 seien vor Kämpfen im Norden des Landes bislang rund 230 000 Menschen zu anderen Orten innerhalb Malis und fast 150 000 in Länder der Region geflohen.

Das UNHCR arbeite intensiv daran, seine Nothilfe-Kapazitäten in Algerien, Guinea, Mauretanien, Burkina Faso, Niger und Togo auszubauen. UN-Flüchtlingskommissar António Guterres hatte Europa am Donnerstag aufgerufen, die Unterstützung der Nachbarländer Malis bei der Versorgung von Flüchtlingen zu verstärken.

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