Lebensmittelkontrollen: Auch im Ausland heikles Thema

Berlin (dpa) - Die Kontrolle von Lebensmitteln ist in vielen Ländern ein heikles Thema. Oft wurden erst nach aufsehenerregenden Skandalen mehr Mittel für die Aufsicht bereitgestellt. Gerade Probleme mit zu viel Dioxin in Nahrungsmitteln spielten dabei eine Rolle.

Die Situation in ausgewählten Ländern:

NIEDERLANDE: Das Agrarexportland verfügt über ein enges Netz von Sicherheitskontrollen - auch als Konsequenz aus früheren Problemen mit Dioxin, Hormonen und Antibiotika. Fette für Futtermittel und industrielle Zwecke dürfen nur in streng voneinander getrennten Produktionslinien hergestellt werden. Die Behörde zur Überwachung von Nahrungsgütern und Waren (VWA) arbeitet mit Zuckerbrot und Peitsche: Betriebe mit guter Bilanz in der Nahrungsgütersicherheit bekommen mehr Eigenverantwortung. Hingegen ziehen selbst leichte Regelverstöße automatisch intensivere und schärfere Kontrollen nach sich.

SPANIEN: Die Überwachung von Lebensmitteln verteilt sich in Spanien auf mehrere Behörden. Hauptverantwortlich ist das Gesundheitsministerium, das die Leitlinien zum Schutz der Verbraucher erstellt. Das Agrarministerium legt die Regeln für die Erzeuger fest. Die Kontrollen vor Ort obliegen den einzelnen Regionen. Ein Giftöl-Skandal hatte 1981 in Spanien zu einer Verschärfung der Kontrollen geführt. Damals waren bis zu 3000 Menschen nach dem Verzehr von gepanschtem Speiseöl gestorben.

ITALIEN: Bei Gammelfleisch oder Dioxin im Mozzarella werden die Ministerien für Landwirtschaft und Gesundheit aktiv. Beauftragte in den Regionen sind die Bindeglieder im Kontrollnetz. Manche Produzenten setzen eigene Lebensmittelkontrolleure ein. Ein Gesetz soll künftig die bessere Etikettierung von Nahrungsmitteln sichern. Die Verbraucherverbände mischen dabei einflussreich mit.

SCHWEIZ: Die Rinderkrankheit BSE verursachte den letzten großen Lebensmittelskandal im Land, 1990 war der erste Fall registriert worden. Bauern- und Tierschutzverbände warnen seit langem, dass niedrige Preise zu schlechteren Lebensmitteln führen. Die großen Einzelhändler verkaufen deshalb Produkte mit einem besonderen Label, das auf Tierfreundlichkeit hinweist. Diese würden gut angenommen. Die Futtermittel-Kontrollen sind strenger als in Deutschland.

ÖSTERREICH: Die Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGES) ist verantwortlich für Lebens- und Futtermittelkontrollen. Sie entwickelt gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium Kontrollpläne, die von den Bundesländer umgesetzt werden müssen. Nicht aufgefallen ist dem System aber vor etwa einem Jahr mit Listerien-Bakterien verseuchter Harzer Käse aus der Steiermark: Er wurde in Deutschland und Österreich verkauft, nach dem Verzehr starben mehrere Menschen.

FRANKREICH: Das Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei ist für die Lebensmittelsicherheit verantwortlich. Etwa 8000 Verwaltungsangestellte sind an der Lebensmittelüberwachung beteiligt. Es gibt zwölf nationale Referenzlabors, in denen Analysen durchgeführt werden.

GROßBRITANNIEN: Im Mutterland des Rinderwahnsinns ist die Lebensmittelkontrolle auf mehrere Schultern verteilt. Restaurants und Imbissbuden werden in Intervallen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren von den mehr als 400 Kommunen kontrolliert, eine eigene Behörde kontrolliert Importware. Die Fleischkontrollen übernimmt landesweit die Food Standards Agency, eine Einrichtung der Regierung. Allein sie hat 1300 Kontrolleure in England, Schottland und Wales im Einsatz. Sie sorgt auch für den wissenschaftlichen Hintergrund und liefert Entscheidungshilfen für die Regierung. Das System scheint zu funktionieren: Seit dem großen BSE-Skandal, der in den 1980er Jahren begonnen hatte und in den 1990er Jahren sein volles Ausmaß erreichte, wurden kaum größere Lebensmittelskandale bekannt.

RUSSLAND: Ob kranke Kinder durch verdorbenes Schulessen oder dutzende Tote durch gepanschten Alkohol - in Russland kommt es immer wieder zu Lebensmittelskandalen. Experten beklagen zu lasche Kontrollen sowie Korruption und zu niedrige Strafen. Nach Bekanntwerden der jüngsten Fälle in Deutschland gaben die Behörden an, die Kontrollen in Russland verschärft zu haben.

JAPAN: In den 60er Jahren erschütterte der bislang größte Dioxin-Skandal das Land. Das Gift war in einer Reisöl-Fabrik in ein Produkt geraten. Mehr als 14 000 Menschen litten unter Ausschlag, Organkrankheiten und anderen Folgen. Die Patienten kämpfen bis heute für Hilfe vom Staat. Erst als Dioxin im Ausland Ende der 90er Jahre zum Thema wurde, widmeten sich die Behörden auch in Japan dem Problem. 1997 wurden Dioxinverseuchungen in mehreren Orten nahe Müllverbrennungsanlagen aufgedeckt. 1999 trat ein Dioxin-Gesetz mit Grenzwerten in Kraft. Viele Verbrennungsanlagen mussten umgebaut oder geschlossen werden. Es gibt dennoch immer wieder Berichte über zu hohe Dioxin-Mengen.

CHINA: Die Kontrolle von Lebensmitteln ist in China nur schwach ausgeprägt. Immer wieder erschüttern schlimme Skandale das Land - wie 2008 wegen verseuchtem Babymilchpulver. Mit der Industriechemikalie Melamin war der Proteingehalt der Milch künstlich erhöht worden. Rund 300 000 Säuglinge erlitten Nierenerkrankungen, mehrere Babys starben. Auch andere verbotene Chemikalien werden immer wieder in Nahrungsmitteln eingesetzt. Gifte im Wasser und in Agrarprodukten aus der Nähe von Fabriken werden für eine stark zunehmende Zahl von Krebserkrankungen verantwortlich gemacht. Von „Krebsdörfern“ ist die Rede. Ein weit verbreitetes Problem ist auch gebrauchtes Speiseöl aus Restaurants, das aufgearbeitet und erneut verkauft wird. Nachgewiesen werden die kriminellen Machenschaften nur selten: Es fehlt den Kontrollbehörden an Personal und Ausrüstung, komplexe Zuständigkeiten erschweren die Aufsicht. Oft kommt die Giftpanscherei erst ans Licht, wenn Menschen erkranken oder sterben.

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