Analyse Kim und Trump - Helden einer unglaublichen Geschichte

Singapur (dpa) - Ganz großes Kino: Donald Trump und Kim Jong Un sind die Helden eines neuen Hollywood-Traums. Titel: „Eine Geschichte der Gelegenheit.“

Analyse: Kim und Trump - Helden einer unglaublichen Geschichte
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Die Vorschau produzierte das Weiße Haus als offizielles Werbevideo, das der US-Präsident dem Machthaber Nordkoreas bei ihrem Gipfel in Singapur zeigte, um ihm die Augen zu öffnen: „Die Geschichte eines besonderen Zeitpunkts, an dem jemand eine einmalige Chance geboten wird, die niemals wiederkommen könnte“, sagt der Sprecher in dem Video vielversprechend, dramatisch zu Bildern von Kim. „Wofür wird er sich entscheiden?“

Geht er zurück - zu Raketen und Kampfjets? Oder vorwärts in eine Zukunft, in der in Nordkorea die Lichter angehen, Investitionen fließen und „blühende Landschaften“ entstehen. Kim könne sein abgeschottetes Land voranbringen, Teil der Welt werden, zum „Helden für sein Volk“ werden, verspricht der Film. Obwohl der jüngste Spross der Kim-Dynastie das längst ist, stark umjubelt, wie auch das Video völlig unkritisch zeigt. „Ich glaube, er hat es gemocht“, sagte Trump stolz noch vor dem Rückflug von Singapur nach Washington.

Es ist ein riesiger Vertrauensvorschuss, den der „senile Greis“ seinem „Rocket-Man“, wie sie sich beschimpft hatten, auf dem Gipfel machte. Dass Kim nach dem Tod des Vaters sein Land mit Mitte 20 übernommen hat, imponiert Trump. Es erinnert ihn vermutlich daran, wie er selber im gleichen Alter das Ruder des familiären Firmenimperiums in die Hand nehmen musste.

Warum er ihn für „sehr talentiert“ hält? „Jeder, der eine Situation übernimmt wie er, mit 26, und in der Lage ist, mit fester Hand zu führen“, muss begabt sein, findet Trump. So wie er. Führungsstärke beeindruckt ihn. Trump über Kim: „Er ist schlau, liebt sein Volk, liebt sein Land.“

Also, was wird dieser talentierte Herr Kim jetzt tun? Wie geht der Nordkorea-Film weiter? „Möglichst bald“ sollen Gespräche über die atomare Abrüstung aufgenommen werden. Das Ziel ist aber weiter in der Ferne, als Trump es zugibt. Aber der Weg ist vielleicht das Ziel - auch wenn der US-Präsident kräftig Prügel dafür bezieht, Kim keine konkreten Abrüstungsschritte abgerungen zu haben. Trump vollzieht eine Kehrtwende, Kim zu umarmen, statt ihn weiter zu konfrontieren.

Ausgeblendet wird auch die Menschenrechtslage in Nordkorea, die Trump als „schlimm“ beschreibt und gleich relativiert: „Es ist woanders auch schlimm.“ Dagegen stellt ein UN-Menschenrechtsbericht von 2014 über Nordkorea fest, dass die Schwere, das Ausmaß und die Art der Menschenrechtsverletzungen einen Staat zeigten, „der keine Parallele in den heutigen Welt hat“. Mehr noch: In vielen Fällen stellten die Menschenrechtsverletzung „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ dar - ein Straftatbestand im Völkerrecht, mit dem Diktator Kim eigentlich vor den Internationalen Strafgerichtshof gehörte.

Politisch missliebige Menschen werden gefoltert und als Arbeitssklaven in Straflagern missbraucht. Nach Schätzungen der US-Regierung werden 80.000 bis 120.000 Menschen in teils schlimmen Verhältnissen in Arbeitslagern gefangen gehalten. Alle Medien sind gleichgeschaltet. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes setzt die Staatsführung auf „ideologische Erziehung“ und Abschottung gegen Ideen aus dem Ausland. Aber Trump ist überzeugt, dass Kim bereit sei, die Lage zu verbessern. „Die werden was machen“, sagte Trump. „Ich glaube, er will was machen. Er will die richtigen Dinge tun.“

Die Führung in Pjöngjang weist Kritik an Menschenrechtsverstößen nicht nur stets zurück, sie reagiert darauf auch höchst empfindlich. Südkoreas Präsident Moon Jae In, der zwischen Nordkorea und den USA erfolgreich vermittelt hat, ist sich dieser schwierigen Situation bewusst, wenn es um einen Dialog mit Nordkorea geht. Seoul lässt dieses Thema bewusst außen vor - aus Furcht, die Annäherung zwischen beiden Ländern damit wieder aus den Angeln zu heben.

In wirtschaftspolitischer Hinsicht sehen Beobachter eher Möglichkeiten, Fortschritte zu machen. In den Jahren seit seiner Machtübernahme Ende 2011 hatte Kim nicht nur das Atomprogramm des Landes vorangetrieben, sondern zugleich versucht, den Spagat zwischen militärischer Aufrüstung und wirtschaftlichem Fortschritt zu schaffen. Im April kündigte Kim überraschend an, sein Land werde die Atomtests und Starts von Interkontinentalraketen aussetzen und sich von nun an voll auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren. Kim hoffte daher auf die Aufhebung der Sanktionen als Gegenleistung.

Von Kim wird angenommen, sein Land wirklich modernisieren und die Lebensbedingungen der Menschen verbessern zu wollen - allein schon, um seine Stellung zu festigen. In vielen Bereichen wurden bisher Reformen vorgenommen. So stärkt die Regierung seit wenigen Jahren private Initiativen und lässt auch marktwirtschaftliche Mechanismen zu. Doch die Fortschritte seien langsam, sagen Beobachter. Reformen und eine Öffnung können für das System des Landes gefährlich werden.

Aber die strengen Sanktionen bleiben vorerst, selbst wenn das Regime löchriger werden könnte, wie Trump einräumte. China als größter Handelspartner hielte seine Grenze jetzt „vielleicht etwas weniger“ geschlossen. „Aber das ist okay“, sagte der US-Präsident gönnerhaft und scheint der Umgehung von Sanktionen sogar den Segen zu geben.

„Die Vergangenheit muss nicht die Zukunft sein“, orakelt der seit Mittwoch auf Youtube zu findende Werbefilm über Kim und Trump: „Zwei Männer, zwei Führer, ein Schicksal.“ Der krasse Kontrast zwischen Bildern von technischen Einrichtungen und leeren Lebenmittelregalen, zwischen militärischen Schiffen und Flugzeugen in Aktion und lachenden Kindern soll Nordkorea eine Wahl suggerieren: Ihr bleibt isoliert und rückständig oder Ihr entscheidet euch dafür, normales Mitglied der Weltgemeinschaft zu sein und Wachstum zu erzeugen.

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