Karlsruher CDU-Schlappe entfacht Großstadt-Debatte

Karlsruhe (dpa) - Die Niederlage der CDU bei der Oberbürgermeisterwahl in Karlsruhe hat vor dem Bundesparteitag die Diskussion über die Großstadtprobleme der Christdemokraten angefacht.

„Der CDU gelingt es nicht mehr, das Lebensgefühl der Städter anzusprechen“, sagte der Tübinger Wahlforscher Hans-Georg Wehling am Montag der Deutschen Presse-Agentur. „Vor allem junge Frauen kann sie nicht mehr erreichen. Sie wird immer mehr zur Partei der alten Männer und karrieresüchtigen jungen Leute von der Jungen Union.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Ingo Wellenreuther hatte am Sonntagabend 35 Prozent erreicht, der von SPD, Grünen, Piraten und Karlsruher Liste getragene Sieger Frank Mentrup setzte sich gegen sechs Mitbewerber mit 55 Prozent durch. Beobachter erwarten, dass das Thema CDU-Image in Großstädten beim Bundesparteitag eine Rolle spielen wird, der am Dienstag in Hannover beginnt. Allein in diesem Jahr verlor die CDU die OB-Wahlen in Frankfurt/Main und Stuttgart. In Baden-Württemberg stellt sie in keiner Großstadt mehr den Rathaus-Chef.

Für die stellvertretende CDU-Vorsitzende Ursula von der Leyen muss ihre Partei „schneller und prägnanter“ werden, um in Großstädten und bei jüngeren Menschen attraktiver zu werden. Ein Schritt in diese Richtung sie die Umsetzung des Kindergartenanspruchs für Dreijährige, sagte sie in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend. „Wir haben den Rechtsanspruch für Einjährige, der jetzt im Sommer kommt, auf den Weg gebracht. Das sind Themen, die sind hochmodern. Die sprechen gerade junge Menschen an.“

Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner will die Analyse nicht teilen, die CDU könne Großstädter nur noch schwer erreichen. Die Partei verkörpere durchaus Modernität und unterstütze Innovationen, etwa bei der Energiewende und in der Bildungspolitik, sagte sie im Bayerischen Rundfunk. Zugleich warnte sie: „Unser Land besteht nicht nur aus Großstädten, aus Latte-Macchiato-Bistros, sondern auch aus dem ländlichen Raum.“ Als Volkspartei müsse die CDU alle im Blick haben.

Für den Tübinger Politikwissenschaftler Wehling muss die CDU auch ihre Themen überdenken. So habe die Einführung des Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder nicht im Kindergarten betreuen lassen, dem Image der Partei sehr geschadet. „Sie müssen dem neuen Frauentyp Rechnung tragen, der Kinder und Karriere unter einen Hut bringen will.“ Außerdem erwarteten Großstädter eine andere Gesprächskultur. „Sie wollen keine Basta-Politiker, die ihnen sagen, wo es langgeht, sondern Dialog und Mitsprache.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort