Hurrikan „Sandy“ lähmt Millionenstadt New York

Washington/New York (dpa) - Der Wirbelsturm „Sandy“ hat die Millionenmetropole New York ausgebremst. Am Montag stand das öffentliche Leben in der Stadt fast still.

Schulen, Behörden und öffentliche Einrichtungen blieben geschlossen, und am Montagnachmittag (Ortszeit) wurden schon erste Sturmschäden gemeldet. Unter anderem stürzte auf der New Yorker West Side bereits ein Baukran um. Da war „Sandy“ allerdings noch Stunden von der Küste entfernt.

Auch der Wahlkampf wurde beeinträchtigt, US-Präsident Barack Obama und sein Herausforderer Mitt Romney sagten mehrere Termine ab. Die Wall Street blieb erstmals seit 27 Jahren wieder wegen Sturms geschlossen. Tausende Flüge wurden abgesagt, Busse fuhren nicht und die U-Bahn wurde ebenso wie viele Straßentunnel aus Angst vor Überflutung gesperrt. „Es ist gefährlich da draußen“, hatte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg den Menschen gesagt. „Vielleicht ist das ein guter Tag, einfach zu Hause zu bleiben und vor dem Fernseher ein Sandwich zu essen.“

Nach Einschätzung des Hurrikanzentrums in Florida sollte das Auge des Sturms im Laufe des Abends (Ortszeit) gute 100 Kilometer südlich von New York die Küste erreichen. Der Sturm bewegte sich zuletzt mit etwa 30 Kilometern in der Stunde auf die US-Küste zu. Die Winde in seinem Wirbel erreichten aber 150 Kilometer in der Stunde.

Präsident Obama kehrte von einer Wahlkampftour in Florida nach Washington zurück und rief die Bevölkerung eindringlich dazu auf, den Anweisungen der Behörden zu folgen. „Dies wird ein großer und mächtiger Sturm“, warnte er im Weißen Haus. Obama rief für Washington und New York und die Bundesstaaten Maryland und Massachusetts den Notstand aus. Er machte aber auch Mut: „Wir werden das zusammen überstehen.“

Bei einer dramatischen Rettungsaktion brachten zwei Hubschrauber der US-Küstenwache 14 Besatzungsmitglieder des Filmschiffs „Bounty“ in Sicherheit. Zwei Menschen wurden allerdings auch Stunden nach der Aktion noch vermisst. Der aus dem Hollywood-Klassiker „Die Meuterei auf der Bounty“ von 1962 bekannte Großsegler war etwa 150 Kilometer südöstlich von North Carolina in Seenot geraten und aufgegeben worden. Die Hubschrauberbesatzungen hatten gegen sechs Meter hohe Wellen zu kämpfen, als sie die Menschen aus den Rettungsbooten an Bord holten.

Die Sturmschäden könnten sich nach Ansicht von Fachleuten auf etwa drei Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) belaufen. Wegen des Hurrikans sollten allein in New York fast 400 000 Bewohner ihre Häuser verlassen. Insgesamt könnten rund 60 Millionen Menschen die Auswirkungen „Sandys“ zu spüren bekommen, wie es vom Energieversorger National Grid hieß. Laut CNN waren am Nachmittag schon 300 000 Menschen ohne Strom - obwohl der Sturm noch gar nicht da war.

Die Menschen in den betroffenen Bundesstaaten deckten sich mit Vorräten ein. Knapp wurden Wasserflaschen, Lebensmittel in Dosen, Taschenlampen und Batterien. Das Zentrum der Hauptstadt Washington glich am Morgen (Ortszeit) einer Geisterstadt. Die Behörden riefen alle Bewohner auf, ab 14 Uhr Ortszeit möglichst nicht mehr die Häuser zu verlassen.

Viele New Yorker sahen dem Sturm aber noch gelassen entgegen. Stunden vor seinem Eintreffen tanzten sie auf den gesperrten Stadtautobahnen. Trotz des Regens waren Tausende auf den sechsspurigen Schnellstraßen, die sonst von Hunderttausenden Autos verstopft werden. „Ich will einfach diese einmalige Gelegenheit nutzen“, sagte eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter. „Wir lachen "Sandy" einfach ins Gesicht und tanzen auf den Straßen. Wenn der Sturm dann da ist, sind wir wieder drin. Und lachen da.“

Wetterexperten befürchten, dass der Hurrikan im Nordosten der USA auf einen Wintersturm stoßen könnte. Diese Kombination könnte zum schwersten Unwetter an der Ostküste seit 1991 führen. Damals kamen bei Hurrikan „Bob“ vier Menschen ums Leben, von South Carolina im Süden bis Maine im Norden entstanden hohe Schäden.

Die Schiffe der Navy, die im Hafen Norfolk im Bundesstaat Virginia liegen, wurden verlegt. 61 000 Mitglieder der Nationalgarde waren in Katastrophen-Bereitschaft. Vielerorts sicherten Menschen ihre Häuser mit Brettern und Sandsäcken.

Für Inseln vor New York und für die Bewohner von Inseln vor New Jerseys Küste wie Long Beach Island gab es Evakuierungsbefehle. Vielerorts wurden Klassenräume zu Notunterkünften.

In der Karibik starben wegen „Sandy“ nach jüngsten Angaben 67 Menschen, davon allein in Haiti 51. Nach dem Vorbeizug wurden in der Region zudem mehrere Europäer vermisst. Nach Angaben des Transportministeriums in Paris handelt es sich um sechs bis sieben Franzosen, die mit einem Boot zwischen den Inseln Martinique und Dominica unterwegs waren.

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