Hängepartie um griechischen Schuldenschnitt geht weiter

Athen/Berlin (dpa) - Die Zeit drängt: Bis zu ihrem Treffen am Montag wollen die EU-Finanzminister endlich ein Abkommen über die Reduzierung der griechischen Schulden sehen. Banken und Regierung in Athen verhandeln unter Hochdruck.

Unklar bleibt, ob die Geldgeber am Ende mitziehen.

Die Verhandlungen über den griechischen Schuldenschnitt bleiben trotz des enormen Zeitdrucks eine Hängepartie. Nach erneuten Gesprächen zwischen Regierung und internationalem Bankenverband IIF wächst in Athen zwar der Optimismus. „Elemente eines noch nie dagewesenen freiwilligen Schuldenschnitts werden in die Tat umgesetzt“, erklärte ein Sprecher des Internationalen Bankverbandes IIF am frühen Samstagmorgen in Athen. Es müsse jetzt entschlossen gehandelt werden um diesen „historischen Deal“ zu einem Ende zu bringen und Griechenland, den Euroraum und die Weltwirtschaft zu stabilisieren.

Allerdings wurden die Gespräche am Samstag in Athen vorerst beendet. Der Chef des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, reiste zu Konsultationen mit Bankenvertretern nach Paris ab, wie ein Sprecher des Finanzministeriums der Nachrichtenagentur dpa sagte. „Heute wird es keine weiteren Verhandlungen (mit Dallara) geben.“ Die Gespräche könnten aber telefonisch fortgesetzt werden, hieß es. Griechische Medien gingen am Samstag davon aus, dass die angestrebte Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) spätestens am Montag fertig sein könnte. Verhandlungspartner Dallaras waren in Athen Ministerpräsident Lucas Papademos und der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos.

Über den genauen Stand und verbleibende Streitpunkte gab es keine offiziellen Informationen. Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite am Freitag eine Vereinbarung mit dem Bankenverband erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von im Durchschnitt vier Prozent haben. Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben. Dabei hätten sie darauf bestanden, dass der Zinssatz auf weniger als drei Prozent fallen sollte. Anderenfalls bestehe vor allem nach Ansicht des IWF nach keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise am Samstag.

Selbst wenn eine Absichtserklärung vorliegt, würde das jedoch noch nicht bedeuten, dass der langwierige Schuldenschnitt-Prozess damit zu Ende ist. Ein Erfolg hängt am Ende davon ab, wie viele Banken und andere Besitzer griechischer Staatsanleihen mitmachen und auf Geld verzichten. Angepeilt ist die Summe von 100 Milliarden Euro. Der Finanzminister plant nach eigenen Angaben, das Memorandum mit dem IIF seinen Kollegen der Eurogruppe am Montag zu präsentieren.

Unabhängig von den noch unbekannten Details wird der angestrebte Schuldenschnitt Europa nach Einschätzung von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann auch auf lange Sicht teuer zu stehen kommen. „Die Erwartung war, dass Staatsanleihen zu 100 Prozent zurückgezahlt werden. Dieses Prinzip wurde verletzt - und zwar entgegen allen Aussagen, die zuvor gemacht worden waren“, sagte Ackermann der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Dafür werden wir einen hohen Preis zahlen müssen, unter anderem in Form höherer Zinsen, die Investoren von vielen Regierungen verlangen werden.“ Die Beteiligung privater Gläubiger sei aus politischen Gründen notwendig gewesen. „Anders hätte es im Deutschen Bundestag keine Mehrheit für das Rettungspaket gegeben“, sagte Ackermann. „Aber klar ist auch, dass dies eine historische Trendwende markiert: Europäische Staatsanleihen waren bisher mündelsicher.“

Ziel des angestrebten Schuldenschnitts ist, Griechenland um 100 Milliarden Euro zu entlasten. Das Land sitzt derzeit auf einem Schuldenberg von rund 352 Milliarden Euro. Das entspricht 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich allenfalls 60 Prozent.

206 Milliarden davon befinden sich in den Händen von Privatleuten, Banken, Versicherungen und Hedge Fonds. Sollte der Schuldenschnitt gelingen, können die Schulden nach Schätzungen der EU und des Internationalen Währungsfonds IWF zunächst auf 152 Prozent fallen. Bis 2020 sollen sie auf 120 Prozent sinken - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft nach mehrjähriger Rezession ab 2013 wieder deutlich wächst. Dies jedoch ist bislang nicht in Sicht.

Den teilweisen Schuldenerlass für Athen sollen die privaten Gläubiger freiwillig schultern. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland. Die privaten Gläubiger, darunter Banken und Hedge-Fonds, sollen bestehende Anleihen in neue tauschen, dabei auf Teile ihrer Forderungen verzichten und auch niedrigere Zinsen in Kauf nehmen.

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