Germanwings-Flugzeug mit 150 Menschen an Bord abgestürzt

Paris/Düsseldorf (dpa) - Alle 150 Menschen an Bord eines Germanwings-Flugzeugs sind beim Absturz des Airbus in den französischen Alpen wohl ums Leben gekommen.

Germanwings-Flugzeug mit 150 Menschen an Bord abgestürzt
Foto: dpa

Es ist einer der schwersten Unfälle in der deutschen Luftfahrtgeschichte. Unter den Opfern waren ersten Angaben zufolge 67 Deutsche. Der Airbus A320 der Lufthansa-Tochter zerschellte auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf am Dienstagvormittag in einer unwegsamen Bergregion. Bilder zeigen unzählige Trümmerteile in den Felsen.

Germanwings strich am Abend etliche Flüge. Die Lufthansa bestätigte zudem, dass es bei dem Unglücksflieger am Tag vor der Katastrophe technische Probleme gegeben hatte. US-Präsident Barack Obama und Papst Franziskus drückten den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aus.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich nach einem Flug über den Absturzort entsetzt: „Vor Ort zeigt sich ein Bild des Grauens.“ Einer der Flugschreiber, der Aufschluss über die Absturzursache geben soll, wurde schon gefunden. Die Black-Box werde „in den nächsten Stunden“ ausgewertet sein, teilte der französische Innenministers Bernard Cazeneuve laut der Zeitung „Le Monde“ am Abend mit. Am Mittwochfrüh gegen halb sechs wollten Experten die schwer zugängliche Unfallstelle in der Nähe des Ortes Digne untersuchen. Schnee und Regen könnten ihre Arbeit zusätzlich behindern.

An Bord der Maschine waren laut Germanwings insgesamt 144 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder. „Es gibt keinen Überlebenden“, zitierte die Zeitung „Le Figaro“ den französischen Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann sprach von 67 deutschen Staatsbürgern an Bord. Die Bundesregierung hatte zunächst keine genauen Erkenntnisse über die Zahl der deutschen Todesopfer.

Zu den Opfern zählen 16 Schüler und 2 Lehrer eines Gymnasiums im westfälischen Haltern. Sie waren auf dem Rückweg von einem Austausch bei Barcelona. In Haltern wurde das Joseph-König-Gymnasium, wo 18 der Unglücksopfer zur Schule gingen und arbeiteten, geschlossen. In der Schule wurde ein Krisenstab gebildet. Notfallseelsorger waren im Einsatz, Schüler legten Blumen nieder. Halterns Bürgermeister Bodo Klimpel sprach vom „schwärzesten Tag in der Geschichte der Stadt“.

Nach der Katastrophe traten etliche Germnawings-Besatzungen ihren Dienst nach Angaben der Muttergesellschaft Lufthansa nicht an. Eine Lufthansa-Sprecherin in Frankfurt bestätigte zugleich, dass der abgestürzte Airbus A320 am Tag vor der Katastrophe wegen eines technischen Problems repariert worden sei.

„Einige haben ihren Dienst aus persönlichen Gründen nicht angetreten, aber nicht aus Sorge, dass da was im Argen liegt“, sagte die Lufthansa-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Hintergrund für „die Weigerung etlicher Piloten“, ihren Dienst aufzunehmen, ist nach Darstellung von „Spiegel online“ offenbar, dass die Unglücksmaschine wegen technischer Probleme den ganzen Montag in Düsseldorf gestanden habe. Das Problem sei kein „sicherheitsrelevantes Thema, sondern ein Geräuschthema“ gewesen, sagte die Lufthansa-Sprecherin.

Bei dem Absturz rund 100 Kilometer nordwestlich von Nizza wurde die Maschine völlig zerstört. „Ich habe keinen Zweifel, dass das Flugzeug gegen die Felswand geprallt ist“, zitierte die Zeitung „La Provence“ einen Augenzeugen, der Trümmer von einem Gebirgspass aus gesehen habe. Die Wucht des Aufpralls mache wenig Hoffnung auf Überlebende, sagte Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve.

„Entsetzliche Bilder in dieser Berglandschaft. Es bleibt nichts außer Trümmern und Körpern“, twitterte Christophe Castaner, Abgeordneter der Region Alpes-de-Haute-Provence, der wie Außenminister Steinmeier die Unfallstelle überflogen hatte.

Am späten Nachmittag waren Hunderte Einsatzkräfte und rund ein Dutzend Hubschrauber und Militärflugzeuge an der Unglücksstelle nahe des kleinen Ortes Prads-Haute-Bléone im Einsatz, wie „Le Monde“ berichtete. Eine Sporthalle des Bergortes Seyne-les-Alpes wurde nach einem TV-Bericht für die Aufbahrung von Opfern eingerichtet.

Die Absturzstelle liegt in einem schwer zugänglichen Berggebiet zwischen den kleinen Gemeinden Le Vernet und Prads-Haute-Bléone im Südosten Frankreichs. Das Gebiet ist nur aus der Luft oder zu Fuß zu erreichen. Auf ersten Fotos und Videoaufnahmen aus der Luft ist zu erkennen, dass Trümmerteile über weite Teile eines zerklüfteten Tals verteilt sind. Größere Wrackteile waren zunächst nicht auszumachen.

Deutschen Sicherheitsbehörden zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Anschlag. Auch das Weiße Haus geht von einem Unfall aus: „Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit Terrorismus“, sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der Deutschen Presse-Agentur in Washington.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich tief betroffen: „Der Absturz der deutschen Maschine mit über 140 Menschen an Bord ist ein Schock, der uns in Deutschland - und der Franzosen und Spanier - in tiefe Trauer stürzt“, sagte die Bundeskanzlerin. Das Ausmaß des Leides sei unermesslich.

Papst Franziskus sprach den Angehörigen sein Mitgefühl aus. Er bete für die Opfer und drücke seine „tiefe Solidarität für alle Menschen aus, die diese Tragödie getroffen hat“. US-Präsident Obama drückte Merkel und Spaniens Ministerpräsidenten Mariano Rajoy telefonisch sein Mitgefühl aus: „Ihr unverbrüchlicher Freund und Verbündeter Amerika steht ihnen in diesem Moment der Trauer zur Seite.“

Merkel wollte am Mittwoch zur Absturzstelle reisen. Dort trifft sie sich mit Rajoy und Frankreichs Präsident François Hollande. Unter den Opfern sind nach Regierungsangaben auch viele Spanier.

Bundespräsident Joachim Gauck brach angesichts der Katastrophe seine Südamerikareise ab: „Ich bin weit weg von Ihnen kilometermäßig und ganz nah bei Ihnen mit meinen Gefühlen und meiner Trauer“, sagte Gauck. Die Bundesregierung und das Luftfahrtbundesamt richteten Krisenstäbe ein.

Am Flughafen Düsseldorf löste die Nachricht vom Absturz Schock, Entsetzen und Trauer aus. An der VIP-Lounge, die der Flughafen für Angehörige und Seelsorger zur Verfügung stellte, kamen Angehörige mit völlig verweinten Augen an. Von einem „rabenschwarzen Tag für den Flugverkehr“ sprach Airport-Sprecher Thomas Kötter.

Vor dem Unglück war die Maschine nach Angaben von Germanwings in einem achtminütigen Sinkflug. Der Leiter des Flugbetriebs bei Germanwings, Stefan-Kenan Scheib, sagte, es habe dazu keine Kommunikation gegeben.

Die Besatzung der abgestürzten Maschine setzte nach Behördenangaben keinen Notruf ab. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die für zivile Luftfahrt zuständige Stelle DGAC. Deswegen habe die Flugsicherung beschlossen, einen Notfall für das Flugzeug auszurufen. Es habe keinen Kontakt mehr zwischen Crew und Bodenkontrolle gegeben. In ersten Berichten war von einem Notsignal die Rede gewesen.

Die Absturzursache dürfte erst in einigen Wochen geklärt sein, wie Luftfahrt-Analyst Thomas Saquer von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan sagte. Die Maschine scheine schnell an Höhe verloren zu haben, sagte Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Sender N-TV. Die Auswertung von Radardaten zeige, dass es „vielleicht“ ein technisches Problem gegeben habe. Meteorologen zufolge herrschte in der Region zum Absturzzeitpunkt gutes Wetter.

Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte: „Wir sind in Gedanken bei denen, die heute Menschen, die sie lieben, verloren haben.“ Laut der Datenbank der privaten Flight Safety Foundation hatte Lufthansa neun Flugzeugunfälle mit zusammen 157 Todesopfern zu beklagen - bis zum Dienstag.

Germanwings betonte, das abgestürzte Flugzeug sei mit aktuellster Computertechnik ausgestattet gewesen. Ein Technik-Problem, wie es kürzlich bei einer Lufthansa-Maschine aus derselben Airbus-Familie bekanntgeworden war, sei daher bei dem Unglücksflieger nicht zu erwarten, sagte der Leiter des Flugbetriebs, Stefan-Kenan Scheib.

Der Airbus A320 ist das erfolgreichste Airbus-Modell. Von dem Mittelstrecken-Jet sind weltweit fast 3700 Maschinen im Einsatz. Die jetzt abgestürzte Airbus-Maschine war mehr als 24 Jahre alt.

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