Gedenken am einstigen Ort des Schreckens

Berlin (dpa) - Eine Schweigeminute für die Opfer und Fahnen auf halbmast: Deutschland hat am Samstag des Mauerbaus vor 50 Jahren gedacht. Bundespräsident Christian Wulff rief in Berlin dazu auf, weltweit für Demokratie und Menschenrechte einzutreten.

„Die Erinnerung an das Unrecht der Mauer mahnt uns, diejenigen nicht allein zu lassen, die für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte kämpfen“, sagte das Staatsoberhaupt beim zentralen Gedenken auf dem früheren Todesstreifen an der Bernauer Straße.

Wulff erinnerte auch an den Fall der Mauer. „Einmal mehr hat sich gezeigt: Am Ende ist die Freiheit unbesiegbar.“ Die DDR-Bürger hätten sich die Freiheit selbst erkämpft. Auch jetzt seien Veränderungen notwendig. Dazu gehöre, Zuwanderer besser zu integrieren.

Eindringlich wurde vor einer Verharmlosung des DDR-Regimes gewarnt. Zuletzt war die Debatte nach Äußerungen der Linken-Chefin Gesine Lötzsch neu aufgeflammt. Sie hatte erklärt, die Mauer sei logische Folge des Zweiten Weltkriegs gewesen. An der Gedenkfeier nahm für die Linke Parteichef Klaus Ernst teil, Lötzsch nicht.

Der interne Streit um die Bewertung des Mauerbaus bestimmte an dem Gedenktag auch einen Linken-Parteitag in Mecklenburg-Vorpommern. Einige der 100 Delegierten blieben bei einer Schweigeminute für die Maueropfer demonstrativ sitzen. Eine Erklärung zum Mauerbau wurde auf die Zeit nach der Landtagswahl am 4. September vertagt. Durch das DDR-Grenzregime starben allein in Berlin mindestens 136 Menschen.

An der Gedenkveranstaltung in Berlin nahm auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) teil, die aber nicht sprach. Der Nachrichtenagentur dpa sagte sie: „Wir dürfen den 13. August 1961 und das Leid, das er über Millionen von Menschen gebracht hat, nie vergessen. Das Unrecht des Mauerbaus mahnt uns bis heute, bei uns zu Hause und weltweit für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte einzutreten.“

Die Bau des Grenzwalls auf Befehl der DDR-Führung unter Walter Ulbricht zementierte mehr als 28 Jahre lang die bereits zuvor begonnene Teilung Deutschlands. Sie ging erst am 9. November 1989 mit dem Mauerfall zu Ende.

Der Bundespräsident kritisierte, vor der Wende hätten sich im Westen viele mit der Teilung abgefunden. Diese Gleichgültigkeit sei beschämend gewesen.

Heute sei vielen der verbrecherische Charakter der DDR-Macht nicht bewusst. „Es wird verklärt und verharmlost, nicht nur im Osten, nicht nur von Tätern.“ Das Unrecht des SED-Staates hervorzuheben, heiße nicht, in der DDR gelebtes Leben zu entwerten, erklärte Wulff. Und: „Es ist gut, dass es im Rechtsstaat möglich bleibt, auch den Täter als Opfer zu begreifen.“

Um 12.00 Uhr verharrten in der Hauptstadt viele Menschen im schweigenden Gedenken. Kirchenglocken läuteten, Busse und Bahnen stoppten kurz. An der Mauer-Gedenkstätte legten Wulff, Merkel, Bundestagspräsident Norbert Lammert und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Kränze nieder und gedachten still der Opfer.

Wowereit betonte, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen. Der 13. August 1961 sei der traurigste Tag in der jüngeren Geschichte Berlins gewesen. „Mich spornt diese bittere Erfahrung an, nicht nachzulassen im Kapf gegen totalitäres Denken und Handeln.“ Die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Freya Klier berichtete von ihrem Fluchtversuch als 18-Jährige, der verraten wurde. Sie kam ins Gefängnis. „Was für ein unbarmherziges System war das, von dem so viele heute noch schwärmen.“

An der Bernauer Straße wurde der zweite Abschnitt einer rund 4,4 Hektar großen Mauer-Erinnerungslandschaft entlang eines Weges eröffnet, auf dem einst DDR-Grenzposten patrouillierten. Bund, Land und EU stellen rund 28 Millionen Euro bereit. Die Bernauer Straße gilt als Symbol der Teilung, weil die Häuserfront zum Osten und der Bürgersteig zum Westen gehörte. Laut Mauer-Stiftung kamen an dem Gedenktag mehr als 20 000 Besucher.

Vielerorts wehten Flaggen auf halbmast. Auch an der früheren innerdeutschen Grenze wurde an die Opfer der Teilung erinnert. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte, es seien auch 21 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht alle Wunden verheilt. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte, es dürfe kein Schlussstrich gezogen werden.

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