Krieg in Afghanistan Fragen zu Trumps Afghanistanstrategie

Kabul/Washington (dpa) - Seit fast 16 Jahren kämpfen US-Soldaten in Afghanistan, und der längste Krieg der USA geht weiter. Präsident Trump verkündet in einer Ansprache an die Nation, das Engagement dort wieder zu verstärken - und sogar ohne ein Ende in Aussicht zu stellen.

Krieg in Afghanistan: Fragen zu Trumps Afghanistanstrategie
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- Wieso ist das nötig? Und was können die USA da überhaupt erreichen?

Nun doch wieder ein stärkeres Engagement der USA in Afghanistan - was steckt hinter der Entscheidung?

Die USA und die Nato befürchten, dass Afghanistan wieder zu einem sicheren Rückzugsort für islamistische Terroristen werden könnte. Ein „hastiger Abzug“ würde ein „Vakuum“ zum Beispiel für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) oder das Terrornetzwerk Al-Kaida kreieren, sagte US-Präsident Donald Trump.

Die Sicherheitslage hat sich seit Ende des internationalen Kampfeinsatzes im Dezember 2014 drastisch verschlechtert. Den hatten die USA begonnen, nachdem Al-Kaida-Terroristen am 11. September 2001 die USA angegriffen und unter anderem zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Centers gesteuert hatten. Al-Kaida-Chef Osama bin Laden lebte damals in Afghanistan, das von den Taliban regiert wurde.

- Wie sieht die Sicherheitslage aus?

Die radikalislamischen Taliban breiten sich wieder aus. Nach Militärangaben „kontrollieren oder beeinflussen“ sie heute rund elf Prozent des Landes. Weitere knapp 30 Prozent gelten als umkämpft. Gleichzeitig hat sich ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) etabliert. In der Hauptstadt Kabul gab es seit Jahresanfang elf schwere Anschläge, bei denen mehr als 1000 Menschen starben oder verletzt wurden. Die afghanischen Streitkräfte sind überfordert, Tausende sterben jedes Jahr, Zehntausende desertieren.

- Schicken die USA also nun mehr Soldaten?

Das ließ Präsident Trump offen. In US-Medienberichten war vor seiner Rede von einer Aufstockung von um die 4000 Mann die Rede gewesen. Die gilt als wahrscheinlich. Eine Pressemitteilung von Verteidigungsminister James Mattis deutete ebenfalls darauf hin. In der hieß es, er werde sich nun mit den Nato-Alliierten in Verbindung setzen, von denen „ebenfalls viele mehr Truppen versprochen“ hätten. 15 Nato-Staaten hatten schon vor einer Konferenz der Nato-Verteidigungsminister im Juni ein zusätzliches Engagement in Aussicht gestellt; während der Konferenz habe es weitere Zusagen gegeben, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg damals.

Deutschland ist derzeit nach den USA und Italien der größte Truppensteller in Afghanistan. Vermutlich auch wegen der bevorstehenden Bundestagswahl hat Kanzlerin Angela Merkel angekündigt, dass sie vorerst keine Erhöhung der Mandatsobergrenze prüfen will. Die ermöglicht eine Entsendung von bis zu 980 Soldaten.

- Was können mehr Truppen in Afghanistan bringen - und was nicht?

Das kommt darauf an, wofür sie eingesetzt werden - was Trump ebenfalls nicht klargestellt hat. Nato-Generalsekretär Stoltenberg hatte Ende Juni in Brüssel betont, es gehe nicht darum, den Kampfeinsatz wiederaufleben zu lassen, sondern darum, die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte auszubauen. Die USA und die Nato haben mit rund 12.400 Soldaten einen Großteil ihrer Soldaten im Land in einer reinen Trainingsmission für die afghanischen Streitkräfte, Resolute Support (RS).

Präsident Trumps Rede klang aber ambivalenter: Er erwähnte das Training für die Afghanen nur am Rande, aber sagte: „Wir werden nicht wieder Staatsaufbau betreiben, wir werden Terroristen töten.“ „Vergeltung“ werde „schnell und mächtig“ sein, Restriktionen des US-Militärs würden aufgehoben und seine Befugnisse erweitert. Die USA haben eine eigene Kampfmission, Freedom's Sentinel, in der rund 2100 Spezialkräfte gegen die Taliban und den IS vorgehen.

Experten sind sich einig, dass mehr Training für die um die 350.000 Mann starken afghanischen Streitkräfte Schlüssel für eine Verbesserung der Sicherheitslage ist - vor allem Training für die relativ erfolgreichen Spezialkräfte, die bis 2020 auf 34.000 Mann verdoppelt werden sollen. Derzeit gilt die Nato-Trainingsmission aber als viel zu klein. Mangels Personals kann sie fast nur auf hoher Offiziersebene ausbilden. Eine Konsequenz ist, dass jedes Jahr Zehntausende Soldaten und Polizisten wegen schlechter Führung und Korruption desertieren. Die Verluste sind hoch. 2016 starben mehr als 7000 Sicherheitskräfte, rund 12.000 wurden verletzt.

- Trump droht Pakistan - womit?

Auch in diesem Teil der Rede wollte Trump nicht so recht Fakten rausrücken. Afghanistans Nachbar beherberge genau jene Terroristen (Taliban und Hakkkani-Netzwerk), die Amerika bekämpfe, das müsse sich ändern, das werde sich ändern - „sofort“, sagte Trump. Ob damit aber wirtschaftliche Sanktionen, die Kürzung der substanziellen finanziellen Unterstützung für das pakistanische Militär oder wieder mehr US-Drohnenschläge in Pakistan gemeint sind, das ließ er offen.

- Wann wird's also besser in Afghanistan?

Höchstens mittelfristig. Falls es mehr Truppen gibt und die eingesetzt werden, um das Training der Afghanen zu verstärken, sieht der Plan der Nato laut RS-Sprecher Bill Salvin so aus: 2018 sollen die Afghanen zu „limitierten Offensiven“, 2019 zu „großen Offensiven“ in der Lage sein. Experten sind skeptischer: Der Plan sei weitgehend darauf ausgelegt zu verhindern, dass sich die Position der Regierung weiter verschlechtere und die Aufständischen größere Städte eroberten, meint Stephen Biddle vom Rechercheinstitut Council on Foreign Relations. Dafür scheint es keine Abzugspläne mehr zu geben. Trump hat betont, dass der Einsatz nun nicht von mehr „willkürlichen Zeitplänen“, sondern von den Umständen abhänge. Die Taliban sollten nicht mehr das Gefühl habe, sie bräuchten die USA nur „auszusitzen“.

- Wenn die USA nun wieder stärker auf militärische Optionen setzen, sind dann Friedensverhandlungen mit den Taliban vom Tisch?

Das ist unklar. Auch viele US-Generäle hatten bisher betont, dass eine politische Einigung mit den Taliban der einzige Ausweg sei und ein stärkeres Engagement ein Mittel sei, die Taliban dazu zu bewegen. Trump schien die US-Rhetorik hier zu ändern. Er sagte, vielleicht werde es „eines Tages, nach einer effektiven Militärkampagne, möglich sein, eine politische Lösung mit einigen Elementen der Taliban“ zu finden - aber niemand wisse, ob oder wann das jemals geschehen werde.

Die Taliban lehnen Friedensgespräche seit Jahren ab. Auf Trumps Ankündigung, man werde sie „daran hindern, Afghanistan zu übernehmen“ werden sie vermutlich mit einer Serie von Offensiven und Anschlägen antworten. Sie sähen US-Truppen im Land als Daseinsberechtigung an, sagt der ehemalige Talibankommandeur Mohammed Sajed Akbar Agha. Mehr US-Truppen würden Kampf und Rekrutierung nur neuen Schwung verleihen.

Talibansprecher Sabiullah Mudschahid schrieb nach Trumps Rede in einer Email an Medien, solange auch nur ein US-Soldat im Land sei, setzten die Taliban ihren „Dschihad mit Entschlossenheit“ fort. „Wir werden ihnen (den Soldaten) Angst machen und ihrer Regierung die Realitäten in diesem Land zeigen.“ Die Taliban seien nicht kampfesmüde. Sollten die USA nicht abziehen, werde Afghanistan zu ihrem Friedhof werden.

- Warum blieb Trump so unkonkret?

Internationale Konflikte sind für Trump verminte Gebiete. Seine Anhänger verlangen von ihm, sich aus waghalsigen Operationen im Ausland herauszuhalten. Das hat er im Wahlkampf mehrfach wortgewaltig versprochen. Jetzt muss er zugeben: Das ist so wohl nicht haltbar. Die Generäle in seinem Kabinett, wie Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster und Stabschef John Kelly, haben hier klar die Linie vorgegeben. Trump selbst, so Militärexperten, habe weder besonders große Ahnung von Kriegsführung noch von Außenpolitik. Seine oberste Priorität ist, seine Anhänger nicht zu verprellen.

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