Forscher über Wulff-Auftritt: „Öffentlich zelebrierter Kniefall“

Tübingen (dpa) - Den Auftritt von Bundespräsident Christian Wulff vor Millionenpublikum hat der Tübinger Medienforscher Bernhard Pörksen als gelungen bewertet.

„Das war ein öffentlich zelebrierter Kniefall“, sagte der auf Skandale spezialisierte Wissenschaftler der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch, eine „massive Demutsgeste“.

In dem Interview von ARD und ZDF sei es für ihn darum gegangen, einerseits die Würde des Amtes zu wahren und unter Beweis zu stellen, dass er dieser gerecht wird. Andererseits habe Wulff eine ernsthafte Reuebekundung abgeben müssen. „Das hat er geschafft.“

Dennoch bleibt Wulffs Zukunft nach Meinung des Wissenschaftlers offen. „Man kann nicht auf einen Befreiungsschlag durch ein Interview hoffen“, sagte Pörksen. Der Reputationsaufbau nach einem Skandal dauere sehr lange, der Reputationsverlust gehe hingegen sehr schnell.

Mehr habe Wulff in dem Interview aber auch nicht leisten können, meinte Pörksen. „Als Bundespräsident sind Sie an ein Repräsentationskorsett gefesselt.“ Wäre Wulff weitergegangen, hätte das womöglich neue Fragen aufgeworfen wie etwa die, ob sich ein Bundespräsident derart entblößen dürfe.

Dass Wulff trotz der Kritik an seinem Hauskredit und dem Umgang mit den Medien im Amt bleiben wolle, das könne ihm gelingen, meinte Pörksen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe das Problem, dass sie einen möglichen Nachfolger angesichts der neuen Machtverhältnisse im Land nicht durchbringen könne.

SPD-Chef Sigmar Gabriel habe schon früh angedeutet, dass ein Rücktritt eine Staatskrise auslösen könnte. „Es gibt eine gewisse Beißhemmung bei der Opposition“, sagte Pörksen. Die Empörung beim Publikum sei zudem geringer als bei den Medien. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung stehe nach wie vor hinter Wulff.

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