„FDP pur“ - Brüderle soll Fraktionsprofil schärfen

Berlin (dpa) - Der neue starke Mann in der FDP-Fraktion schüttelte schon vor seiner Wahl viele Hände. Rainer Brüderle strahlte und scherzte, wehrte aber Glückwünsche ab: „Erst muss gewählt werden.“ Das war dann eine halbe Stunde später im Walther-Rathenau-Saal der Liberalen im Reichstag nur noch Formsache.

Auf die Frage, ob er jetzt beim Auszug aus seinem geliebten Wirtschaftsministerium eine Träne im Auge habe, sagte Brüderle: „Ich erfülle meine Pflicht bis zur letzten Minute.“ Schon in Kürze soll er vom Bundespräsidenten seine Entlassungsurkunde als Minister erhalten.

Zuletzt war es für den 65-Jährigen wie in der Achterbahn auf und ab gegangen: Unlängst als Vorzeige-Liberaler wegen seines Neins zu Opel-Hilfen gefeiert, wurde er nach Fukushima und der Atompanne beim BDI von der jungen FDP-Garde quasi schon zum Auslaufmodell erklärt.

Im Sog der Atom-Diskussion flog in Rheinland-Pfalz seine FDP aus dem Landtag und Brüderle gab nach 28 Jahren den Landesvorsitz auf. In der Hauptstadt wuchs der Druck der neuen Parteispitze um Philipp Rösler, dass Brüderle auf dem Parteitag Platz für Jüngere macht und nicht mehr als Bundesvize kandidiert.

Der FDP-Oldie kämpfte und sammelte im wichtigen Wirtschaftsflügel seine Truppen. Säuselliberalismus ist nicht sein Ding. „Ich bin für FDP pur - ohne Zusatzstoffe“, sagte er der dpa. Brüderle sieht sich als Garant des liberalen Markenkerns, für Wettbewerb und wenig Staat.

In der Wirtschaft wird der in Berlin geborene Pfälzer als „Mister Mittelstand“ geschätzt. Die Selbstständigen, Familienunternehmer und Handwerker könnten auch für die breiter aufgestellte Rösler-FDP ein überlebenswichtiges Milieu sein, aus dem Spenden und Stimmen kommen.

Volkswirt Brüderle, den die Opposition gerne als „Plaudertasche“ angriff, zieht seit vier Jahrzehnten seinen Stil durch - er sei nun mal eine Frohnatur und lasse sich nicht verbiegen. Dazu gehören schräge Sprüche mit pfälzischem Zungenschlag, aus dem Aufschwung wird so auch mal ein Hefeteig.

Fleiß, Lebensfreude und das richtige Vitamin B haben ihn geprägt. Brüderles Vater führte bis weit über 80 einen Krämerladen in Landau, wo der Sohn das Einmaleins des Kapitalismus lernte. Sein Wirtschaftsstudium finanzierte er sich in den 70er Jahren auch mit Buchbesprechungen in der „FAZ“, für die er 50 Mark pro Artikel bekam.

Im Spätherbst seiner Karriere führt er nun die 93-köpfige FDP-Fraktion an. Die kennt Brüderle bestens, er gehört ihr schon seit 13 Jahren an, war fast ein Jahrzehnt Fraktionsvize. Mit seiner gescheiterten Vorgängerin Birgit Homburger ist er freundschaftlich verbunden - er dürfte in den eigenen Reihen keinesfalls als „Königsmörder“ angesehen werden, weil er letztlich aus Parteiräson den neuen Posten übernimmt.

In den nächsten Wochen stehen in der schwarz-gelben Koalition historische Beschlüsse zum Atomausstieg und zur Euro-Rettung an. Brüderle wird sein Verhandlungsgeschick gegenüber der Union beweisen müssen - beim Euro fordert er ein striktes Vetorecht des Bundestages für neue Milliardenhilfen an Schuldenländer.

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