Fachmann fordert Überprüfung von Verfassungsschutz

Frankfurt/Main (dpa) - Nach den Pannen bei der Neonazi-Mordserie muss der Verfassungsschutz nach Ansicht des Frankfurter Juristen Günter Frankenberg auf den Prüfstand. „Ob der Verfassungsschutz nicht völlig fehl am Platze ist, weil er als Organisation von Hause aus nicht auf Strafverfolgung zugeschnitten ist, muss jetzt geprüft werden“, sagte der Professor für Öffentliches Recht in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in Frankfurt.

Ein neues NPD-Verbotsverfahren hat nach Ansicht des Fachmanns keine Aussicht auf Erfolg. „Ich halte das nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für so gut wie aussichtslos, das ist viel zu schwierig.“ Frankenberg war 2002 zusammen mit Professor Wolfgang Löwer von der Uni Bonn beim gescheiterten Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei Bevollmächtigter des Bundestags.

„Wir haben das Bundesamt für Verfassungsschutz und wir haben 16 Verfassungsschutzämter der Länder, die ihre Informationen in aller Regel gegeneinander abschirmen wie Privateigentum“, sagte er. Dies werde auch keine oberflächliche Reform des Verfassungsschutzes ändern, denn: „Informationen über verfassungswidrige Bestrebungen sind das Faustpfand dieser Ämter und zugleich Ausweis ihrer Existenzberechtigung.“

Für eine erfolgreiche Strafverfolgung seien aber entsprechend geschulte Beamte und kooperatives Handeln notwendig. Daher müsse geprüft werden, ob nicht Kripo, Landeskriminalämter und Bundeskriminalamt die Strafverfolgung besser allein übernehmen. „Der Verfassungsschutz war ursprünglich für den Bereich organisierter Kriminalität und Terrorismus nicht als "Aufklärungsinstitution" vorgesehen, sondern nur für die Aufklärung von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen.“

Eine Kosten-Nutzen-Analyse werde zeigen, dass der Verfassungsschutz marginale Erkenntnisgewinne abwirft, sagte Frankenberg. „Denn immer da, wo es wirklich wichtig wäre, hat der Verfassungsschutz entweder versagt wie jetzt - das ist ja wohl eklatant - oder er hat nicht das geliefert, was man braucht.“

„Die Informationen, die der Verfassungsschutz zutage fördert, sind entweder trivial, weil allgemein zugänglich. Oder er beschafft sie sich über V-Leute. Und diese Informationen sind im hohen Maße unzuverlässig, weil das häufig Doppelagenten sind“, sagte der Professor. Diese spielten ein Doppelspiel und gäben einen Teil ihres Geldes an ihre Organisation - wie das beim NPD-Verbotsverfahren zutage getreten sei. Wirklich brisante Informationen bekomme der Verfassungsschutz so kaum. „Überläufer, die unter hohem persönlichen Risiko solche Informationen weiterleiten, dürften die Ausnahme sein“, betonte Frankenberg. „Und was ganz schlimm ist: Es entwickelt sich eine Art Subkultur zwischen den V-Leuten und ihren Führern bei der Behörde.“

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