EZB dreht nicht weiter an Zinsschraube

Frankfurt/Main (dpa) - Im Kampf gegen die Schuldenkrise drehen Europas Währungshüter zunächst nicht weiter an der Zinsschraube. Der Leitzins im Euroraum bleibt auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent.

Das beschloss der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag in Frankfurt, wie die Notenbank mitteilte.

Obwohl die Schuldenkrise zuletzt eskaliert war, hatten die wenigsten Volkswirte nach der historischen Zinssenkung von Anfang Juli rasch mit einem erneuten Zinsschritt gerechnet. Geld in Europa ist derzeit schon so günstig wie nie seit der Euro-Einführung 1999 - zumindest für Banken.

Dagegen wird seit Tagen darüber spekuliert, dass die EZB massiv Anleihen von taumelnden Euro-Schwergewichten wie Spanien und Italien aufkaufen könnte, um die Zinslast dieser Länder zu mindern. Notenbank-Präsident Mario Draghi selbst hatte die Erwartungen geschürt. Der Italiener hatte vor einer Woche in London gesagt: „Die EZB wird im Rahmen ihres Mandats alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen.“

Als denkbar gilt eine gemeinsame Aktion von EZB und dem Euro- Rettungsfonds EFSF beziehungsweise dessen Nachfolger ESM. Die EZB darf Bonds nur auf dem Sekundärmarkt erwerben, also etwa von Banken. Die Rettungsfonds könnten Anleihen direkt von Staaten kaufen. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ wollte Draghi einen solchen abgestimmten Plan am Donnerstagnachmittag in Frankfurt vorstellen.

Doch gegen erneute Staatsanleihenkäufe der EZB formiert sich Widerstand. Nach Informationen der italienischen Zeitung „La Repubblica“ stemmen sich mindestens 7 der 23 Ratsmitglieder gegen radikale Maßnahmen.

Die EZB hatte im Mai 2010 gegen deutschen Widerstand ein Kaufprogramm für Staatsanleihen aufgelegt. Aktuell hat sie Staatspapiere im Wert von 211,5 Milliarden Euro in der Bilanz. Das Programm ruht seit Mitte März, könnte aber theoretisch jederzeit wieder aktiviert werden.

Gegen einen solchen Schritt wehren sich „La Repubblica“ zufolge außer den beiden deutschen Vertretern im EZB-Rat, Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktor Jörg Asmussen, auch die Notenbanker von Österreich, den Niederlanden, Luxemburg, Finnland und Estland. Auch aus der deutschen Politik kamen ablehnende Stimmen.

Die USA indes machen Druck: US-Präsident Barack Obama appellierte erneut an die Europäer, alles zu tun, um die Eurozone zu stabilisieren. Obama sorgt sich drei Monate vor den US-Wahlen, dass eine eskalierende Euro-Schuldenkrise die US-Wirtschaft in den Abgrund ziehen könnte.

Die US-Notenbank Fed ihrerseits sah am Mittwoch von weiteren Schritten ab, obwohl sie weiterhin „bedeutende Abwärtsrisiken“ für die US-Wirtschaft sieht. Die Fed bestätigte den Leitzins in einer Spanne zwischen null und 0,25 Prozent. Auch die Bank of England gönnte sich eine geldpolitische Verschnaufpause: Das erst vor Monatsfrist um 50 Milliarden Pfund aufgestockte Volumen der Anleihekäufe bleibt bei 375 Milliarden Pfund. Der Leitzins, zu dem sich die Geschäftsbanken bei der Notenbank refinanzieren können, verharrt auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent.

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