Experte: Papandreou „muss dieses Risiko eingehen“

Berlin (dpa) - Die Volksabstimmung über das zweite EU-Hilfspaket ist nach Ansicht des Griechenland-Forschers Hubert Heinelt ein kluger Schachzug von Ministerpräsident Giorgos Papandreou.

„Ich halte es vor allem für eine taktische Maßnahme“, sagte der Politologe von der Universität Darmstadt der Nachrichtenagentur dpa am Dienstag. „Er setzt wahrscheinlich darauf, dass jetzt einfach die Alternativen klar sind, und es vor diesem Hintergrund doch eine Mehrheit gibt.“ Heinelt forscht am Institut für Politikwissenschaft unter anderem zum politischen System Griechenlands.

Ministerpräsident Papandreou hatte am Montagabend überraschend angekündigt, die griechische Bevölkerung über das zweite Rettungspaket entscheiden zu lassen. Zuletzt hatte es dort heftige Proteste gegen die drastischen Sparmaßnahmen gegeben, die an die Hilfszahlungen geknüpft sind. Die Zustimmung der Bevölkerung zu dem EU-Paket gilt daher als zweifelhaft. Bekommt Papandreou sie nicht, droht Griechenland die Staatspleite.

„Das ist riskant“, betonte der Politologe. Er hält Papandreous Entscheidung dennoch für richtig: „Er braucht im Grunde genommen das Votum der griechischen Bevölkerung für die Umsetzung weiterer Konsolidierungsmaßnahmen“, sagte Heinelt. „Seine Mehrheit im Parlament ist ja deutlich geschrumpft.“ Das Referendum sei daher eine „wichtige Legitimation“ für weitere Reformen.

Der riskante Schritt könne sich auch außenpolitisch für den Regierungschef auszahlen: „Wenn das Referendum in seinem Sinne positiv verläuft, hat er auch nach außen eine starke Position“, sagte Heinelt. „Vertrauen in seine Person wäre der positive Effekt.“ Heinelts Einschätzung nach hatte Papandreou ohnehin keine bessere Alternative. „Er muss dieses Risiko eingehen“, sagte der Experte. „Auch nach außen hin, um Handlungsfähigkeit zu signalisieren.“

Der geplante Zeitpunkt der Abstimmung im kommenden Frühjahr sei jedoch zu spät gewählt. „Ich hielte es politisch für klüger, das relativ zügig durchzuführen“, sagte Heinelt. Je länger die Kampagne dauere, desto größer sei die Gefahr, „dass man an irgendwelchen Details Grundsatzfragen aufhängt“. Es gebe keinen Grund, die Entscheidung so lange aufzuschieben. „Die Frage, die zu entscheiden ist, liegt auf dem Tisch.“

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