EU-Schuldenkrise wird Chefsache: Sondergipfel geplant

Brüssel/Frankfurt (dpa) - Mit allen Mitteln wollen die EU-Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer eine Ausbreitung der Schuldenkrise auf große Länder wie Italien oder Spanien verhindern.

Wegen der sich immer weiter zuspitzenden Lage auf den Finanzmärkten ist ein Krisentreffen an diesem Freitag (15.7.) geplant, wie Diplomaten am Dienstag in Brüssel sagten. Die Finanzmärkte nehmen derzeit das hoch verschuldete EU-Gründungsmitglied Italien unter Beschuss: Sie verlangen sprunghaft steigende Gefahrenzulagen für italienische Staatsanleihen.

Der Euro verlor am Dienstag gegenüber dem US-Dollar an Wert - er rutschte unter die Marke von 1,40 Dollar. Spekulationen über ein mögliches Eingreifen der EZB stoppten die Euro-Talfahrt vorerst. Der Dax war kurz vor Handelsschluss knapp ein Prozent im Minus.

Zu einem baldigen Krisengipfel sagte der Sprecher von EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy der Nachrichtenagentur dpa: „Es ist nicht ausgeschlossen, aber noch nicht entschieden.“ Der Belgier Van Rompuy bereitet Gipfeltreffen vor und führt diese auch.

In deutschen Regierungskreisen allerdings hieß es am Dienstag, es gebe noch keine konkreten Planungen für einen Sondergipfel an diesem Freitag.

Die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen Italiens kletterten am Dienstag erstmals seit 1997 zeitweise über die Marke von sechs Prozent. An der Höhe der Rendite bemisst sich die Gefahrenzulage, die der Kapitalmarkt für das jeweilige Land verlangt. Auch in Spanien - nach Italien die viertgrößte Euro-Wirtschaft - legten die Renditen zeitweise stark zu. Später entspannte sich die Lage etwas. In Deutschland liegt die zehnjährige Rendite mit 2,5 Prozent wesentlich niedriger.

Nach mehreren Tagen brach der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Dienstag sein Schweigen, beteuerte die wirtschaftliche Stabilität Italiens und rief zum gemeinsamen Handeln auf. Das italienische Sparpaket in Höhe von rund 47 Milliarden war vor circa einer Woche vom Kabinett verabschiedet worden, es muss aber noch durchs Parlament - wohl am Donnerstag.

EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte beim Finanzministertreffen in Brüssel: „Wir sind uns natürlich bewusst, dass wir uns in einer ernsten Phase der Schuldenkrise befinden.“ Diese Krise müsse eingegrenzt werden, um eine Ansteckung anderer Länder zu verhindern.

Zuletzt waren die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone am 11. März zu einem Sondertreffen zusammengekommen. Sie beschlossen damals Maßnahmen zur Absicherung der Euro-Währung. In den vergangenen Monaten hatte sich Van Rompuy mit Krisentreffen der „Chefs“ zurückgehalten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble versicherte, es werde alles unternommen, um die finanzielle Stabilität des Eurogebiets zu sichern. „Wir sind über Griechenland hinaus bereit, alles Erforderliche zu tun.“

Die Euro-Finanzminister beschlossen, in Kürze ein neues Rettungspaket für Schuldensünder Griechenland aufzulegen. Im Kampf gegen die Schuldenkrise soll außerdem der Rettungsfonds für klamme Eurostaaten (EFSF) neue Aufgaben bekommen, beschlossen Euro-Kassenhüter. Dazu soll es bald konkrete Vorschläge geben. Die Laufzeiten von Krediten sollen verlängert werden und die Zinsen sinken. Wenn nötig, könnten Schuldensünder mit Vermögenswerten haften - damit kommt die Eurozone finnischen Forderungen nach.

Rehn schloss nicht aus, dass der EFSF-Fonds künftig den Kauf von Staatsanleihen von Privatgläubigern finanzieren oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Bisher ist das nicht möglich. Erst vor Kurzem hatten die Europäer beschlossen, die Garantien für diesen Fonds auf 780 Milliarden Euro auszuweiten.

Zur Eindämmung der Schuldenkrise stehen die 27 EU-Staaten bereit, kriselnde Banken mit staatlichem Geld vor der Pleite zu bewahren: Sollten bei den europaweiten Stresstests von den 91 getesteten Geldhäusern Kandidaten durchfallen, wollen die Regierungen wie bereits nach der Bankenkrise 2008 mit Finanzspritzen beispringen. Eine entsprechende Erklärung gaben die EU-Finanzminister ab. Die Branche steht unter enormen Druck, weil an diesem Freitag die Ergebnisse der Tests veröffentlicht werden. Es gilt als sicher, dass einige Geldhäuser diese zweite Runde nicht bestanden haben.

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