Elbe-Flutwelle rollt weiter: Neuer Deichbruch

Magdeburg (dpa) - Die Hochwasser-Katastrophe kostet Deutschland Milliarden und ist noch lange nicht ausgestanden. Die Wucht der Elbeflut ließ einen Damm bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt brechen, Tausende Menschen mussten sich in Sicherheit bringen.

Weiter nördlich in Brandenburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hofften Helfer, die Elbeflut mit Massen von Sandsäcken bändigen zu können. Nach einer Brückensperrung kam es zu großen Verspätungen im ICE-Verkehr. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte den Hochwasser-Opfern bei einem Besuch an der Elbe in Wittenberge erneut Unterstützung zu.

Die Flutschäden in ganz Deutschland werden inzwischen auf eine zweistellige Milliardensumme geschätzt. Ein ohnehin geplantes Treffen der 16 Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Merkel soll an diesem Donnerstag um Gespräche zur Fluthilfe erweitert werden.

Der durchweichte, gebrochene Deich im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt war gegen Mitternacht auf einer Länge von rund 50 Metern gebrochen. 1000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde schossen in die Fläche und überschwemmen nun die Region. Etwa 3000 Menschen mussten sich in Sicherheit bringen, weitere Evakuierungen waren geplant.

Am frühen Montagmorgen sperrten die Behörden aus Sicherheitsgründen eine Eisenbahnbrücke über die Elbe nahe Stendal. Damit mussten Fernzüge von Frankfurt/Main und Hannover nach Berlin auf andere Strecken ausweichen. Das Ende der Sperrung blieb unklar.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) sagte, die Bundeswehr verlagere weitere Kräfte in die Region. Auch in Hohengöhren bei Stendal blieb die Lage kritisch, weil ein Elbe-Deich auf 30 Metern Länge abrutschte. Helfer versuchten, ihn zu halten.

In Magdeburg entspannte sich die Lage etwas - bei leicht sinkendem Pegelstand. Das lange vom Wasser bedrohte Umspannwerk war nicht mehr in Gefahr. Allerdings war die Scheitelwelle des Hochwassers sehr lang und dürfte noch mehrere Tage lang gefährlich auf die Deiche drücken.

An der Landesgrenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg liefen seit Sonntag planmäßig Polder voll, um die Hochwassersituation zu mildern. In der Nähe von Wittenberge in Brandenburg zeigte das bereits Wirkung. Der Wasserstand sank zeitweise um einige Zentimeter. Der Höhepunkt der Flutwelle wurde dort aber erst am Dienstagmittag erwartet.

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) betonte bei seinem Treffen mit Merkel in Wittenberge: „Ich denke, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“ Merkel erläuterte, sie wisse, dass die Schäden in die Milliarden gehen werden. Wie hoch sie genau sein werden, stehe noch nicht fest.

Immerhin drohen in den nächsten Tagen nach Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes keine größeren neuen Niederschläge. Es soll stabiles Sommerwetter geben.

Auch in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen laufen Evakuierungen. Teilweise gibt es schulfrei, weil Gebäude zu nah am Wasser liegen oder als Notquartiere nötig sind.

Kanzlerin Merkel hatte bereits in der vergangenen Woche Hochwasserregionen in Bayern und Sachsen besucht und 100 Millionen Euro Soforthilfe der Bundesregierung zugesagt.

Steuererhöhungen zur Behebung der Flutschäden in Deutschland hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Wochenende ausgeschlossen. Die FDP erwartet dennoch eine massive Aufstockung. Da werde mehr kommen, sagte Spitzenkandidat Rainer Brüderle. Die Größenordnung könne derzeit aber niemand seriös abschätzen. 2002 seien nach der Flut etwa sechs Milliarden Euro an Hilfen geflossen.

Die oppositionellen Grünen forderten Milliardenhilfen und ein langfristiges Schutzkonzept. Die Schäden seien größer als bei der Flut von 2002, doch die Mittel bislang weit kleiner als damals.

Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) schloß Enteignungen von Bauern zum Hochwasserschutz nicht aus. Dies sei aber nur „in letzter Konsequenz in Erwägung zu ziehen“, sagte sie am Montag. Besser seien jedoch einvernehmliche Lösungen mit den betroffenen Landwirten.

Angesichts des Hochwassers brachte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Versicherungspflicht gegen Naturkatastrophen ins Gespräch.

In Deutschland gab es bislang mindestens sieben Tote durch die Flut. Bei mindestens zwei weiteren Toten blieb der Zusammenhang noch unklar. In Tschechien wurde ein elftes Flutopfer tot geborgen. Starkregen und Sturm erschwerten dort die Aufräumarbeiten.

Bundespräsident Joachim Gauck, der sich am Sonntag bereits in Sachsen und Sachsen-Anhalt ein Bild von der Flutkatastrophe gemacht hat, will am Freitag in die bayerische Hochwasser-Region reisen.

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