Moderatorin entschuldigt sich Eklat bei „Maischberger“: Wenn einem Profi der Kragen platzt

Berlin (dpa) - Wolfgang Bosbach hat schon mit vielen über vieles diskutiert. Er gilt als ein Lieblingsgast der Talkshow-Macher, weil er eine klare Sprache spricht. Und weil er auf viele Zuschauer authentisch wirkt, gerade wenn er deutlich wird.

Auseinandersetzungen mit Menschen anderer Meinung vor laufender Kamera ist er gewohnt. Aber am Mittwochabend ist dem CDU-Innenpolitiker in der „Maischberger“-Sendung im Ersten über die Krawalle beim Hamburger G20-Treffen der Kragen geplatzt. Bosbach verließ die Talksendung nach einer hitzigen Diskussion mit der früheren Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth mit dem Kommentar „Das muss ich nicht mitmachen.“ Ditfurth bezeichnete ihn daraufhin als „kleine Mimose“. So sieht sich Bosbach nach wie vor nicht.

Eine Talksendung vorzeitig verlassen? Das war für den langjährigen Bundestagsabgeordneten eine neue Erfahrung: „Bis jetzt bin ich mehr als einmal tapfer gewesen bis zum Ende“, sagte er. „Ich hatte schon einen Imam, der geredet hat wie ein Wasserfall, ich hatte schon eine vollverschleierte Muslima, die Werbung für den Dschihad gemacht hat. Jetzt bei dem Auftritt von Frau Ditfurth ist bei mir das Fass übergelaufen.“ Bosbach wirft ihr unter anderem vor, die Krawalle zu verharmlosen.

Seinen wütenden Abgang hält er nach wie vor für richtig: „Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, muss ich freimütig gestehen, ich frage mich, warum ich nicht schon früher gegangen bin“, erklärte er. „Frau Ditfurth hat sich wirklich die ganze Sendung über bemüht, durch Mimik, Gestik und Dazwischenreden zu zeigen, dass sie von abweichenden Argumentationen überhaupt nichts hält“, kritisierte der CDU-Politiker. „Für mich hatte die Argumentation von ihr nur einen roten Faden: Alle Gewalt ging von der Polizei aus, und die 500 verletzten Polizisten sind an ihrem Unglück selber schuld. Und da ist für mich die Grenze des Erträglichen überschritten.“

Moderatorin Sandra Maischberger erklärte: „Ich habe in dem Moment, als Wolfgang Bosbach aufstand, nicht ganz nachvollziehen können, warum er das tut. Ich bedaure das natürlich sehr.“ Für eine Talksendung sei das eine Niederlage. „Dass die Sendung kontrovers werden würde, war uns klar. Wir wollten bewusst beide Seiten aus Hamburg an einen Tisch holen, weil es den direkten Dialog noch nicht gegeben hatte - zwischen einer Diskutantin wie Jutta Ditfurth, die dezidiert auf der Seite der polizeikritischen Demonstranten stand, und einem Vertreter der Polizisten von der anderen Seite.“

Nachdem Bosbach gegangen war, bat Maischberger Ditfurth, die Runde ebenfalls zu verlassen - doch die ignorierte die Aufforderung. „Ich habe mich bei Jutta Ditfurth auf Facebook entschuldigt. Das war eine Kurzschlusshandlung von mir. Ich hatte das Gefühl, wenn ich auf der einen Seite einen Diskutanten verliere, müsste ich das auf der anderen Seite ausgleichen“, sagte Maischberger. „Das war ein Fehler.“ Bosbachs Abgang habe sie „einen Augenblick lang emotional aus der Fassung“ gebracht. „Wir versuchen, eine Diskussion zu führen, die so offen, so ungeschminkt, so authentisch wie möglich ist. Und das war auch diesmal über weite Strecken der Fall.“

Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte Ditfurth: „Frau Maischberger war ja ganz auf Seiten Herrn Bosbachs, der mit dieser weltfremden Mimosenhaftigkeit keine Kneipendiskussion überstehen würde.“ Maischbergers Entschuldigung geht ihr nicht weit genug: „Sie müsste sich auch dafür entschuldigen, dass ich dann kein Wort mehr sagen durfte.“

Bosbach erklärte, er habe ein Zeichen setzen wollen: „Talkshows machen nur dann Sinn, wenn alle die Bereitschaft mitbringen, sich ernsthaft mit der Position des Gegenübers zu beschäftigen und ihn ausreden zu lassen. Er habe nichts gegen eine Zwischenfrage oder gegen einen flotten Spruch. „Das mache ich doch selber auch. Aber dieses permanente laute oder halblaute Dazwischengerede, das viele Zuschauer gar nicht mitbekommen, das geht nicht.“ Der Politiker will trotzdem auch künftig in Talksendungen gehen und sieht keine Entwicklung zu mehr Krawall bei solchen Formaten.

Der stellvertretende Chefredakteur Fernsehen beim zuständigen „Maischberger“-Sender WDR, Udo Grätz, betont, dass Bosbachs vorzeitiger Abgang eine Ausnahme sei: Bisher habe es in der Sendung nur einen solchen Fall gegeben, 2007, als der Wissenschaftsjournalist Joachim Bublath sich die Ausführungen der Sängerin Nina Hagen nicht mehr länger anhören wollte. „So etwas ist absolut selten, das war gestern schon etwas Besonderes“, sagte Grätz.

Neue Regeln für Talksendungen hält er nicht für nötig: „Wenn wir solche Fälle jede Woche hätten oder monatlich, dann müsste man vielleicht darüber nachdenken. Aber es gibt allein im Ersten rund 100 Gesprächssendungen jährlich, und so etwas wie gestern kommt so gut wie nie vor.“ Auch Grätz sieht nicht, dass sich die Diskussionskultur verschlechtern würde: „Vor fünf, sechs Jahren gab es in solchen Sendungen mehr Aggressionen. Es ist eher sachlicher geworden - und es ist auch nicht so, dass die Zuschauer auf Krawall stehen.“

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