dpa-Interview: „Bewährungsstrafe ist durchaus möglich“

Berlin (dpa) - Die Steuerstrafrechts-Expertin Christine Varga hält entgegen anderer Experten-Meinungen eine Bewährungsstrafe für Uli Hoeneß für möglich - trotz zurückgehaltener Unterlagen und einer weit höheren Steuerschuld als angenommen.

dpa-Interview: „Bewährungsstrafe ist durchaus möglich“
Foto: dpa

Wegen seiner Selbstanzeige sei „eine Bewährungs- in Verbindung mit einer Geldstrafe durchaus möglich.“ Das könne „trotz der formalen Unregelmäßigkeiten von zurückgehaltenen Daten erheblich zu seinen Gunsten gewichtet werden“, sagte Varga am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa.

Frage: Frau Varga, welche Auswirkungen hat es für den Prozess, dass Uli Hoeneß den Behörden Unterlagen verspätet vorgelegt und Fristen mehrfach verstreichen lassen hat?

Antwort: Man muss grundsätzlich die Gesamtumstände berücksichtigen. Wer Selbstanzeige erstattet und den Steuerbehörden freiwillig Unterlagen vorlegt, erleichtert deren Arbeit spürbar. Das Gericht muss nun entscheiden, ob das erheblich zugunsten des Angeklagten gewichtet wird. Oder es schließt sich der Staatsanwaltschaft an, die die Selbstanzeige als nicht wirksam betrachtet. Diese beiden Positionen muss das Gericht bewerten. Der Ausgang des Prozesses ist zum jetzigen Zeitpunkt schwer vorherzusagen.

Frage: Welche Position vertreten Sie denn?

Antwort: Ich betrachte die Situation aus der Sicht des Steuerstrafverteidigers. Unabhängig von der prominenten Person steht hier ein Steuerbürger vor Gericht, der bislang ein unbescholtenes Leben geführt hat. Er hat die Ermittlungen der Steuerbehörden angestoßen. Das kann trotz der formalen Unregelmäßigkeiten von zurückgehaltenen Daten erheblich zu seinen Gunsten gewichtet werden. Eine Bewährungs- in Verbindung mit einer Geldstrafe ist durchaus möglich. Nach dem Gesetz ist eine bei Zeiten abgegebene Selbstanzeige auf jeden Fall strafmildernd zu berücksichtigen.

Frage: Immerhin geht es hier um große Summen. Hoeneß hat eingeräumt, insgesamt 18,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Laut Staatsanwaltschaft soll es sich sogar um 27,2 Millionen Euro handeln. Haben Sie es schon erlebt, dass ein Steuersünder in einem ähnlichen Fall mit einer Bewährungsstrafe davongekommen ist?

Antwort: Es kommt immer wieder vor, dass unabhängig von der Größenordnung strafmildernde Umstände berücksichtigt werden. Ich habe noch nie erlebt, dass dies nicht geschehen ist.

ZUR PERSON: Dr. Christine Varga (39) ist Rechtsanwältin bei der Wirtschaftskanzlei Rödl & Partner in Nürnberg. Sie hat an der Universität Bayreuth studiert und im Bereich internationales Wirtschafts-und Steuerstrafrecht promoviert. Ihr Schwerpunkt ist die Beratung von Unternehmen und vermögenden Privatpersonen im Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht. Im Bereich Prävention & Verteidigung von Rödl & Partner wurden im vergangenen Jahr über 500 Selbstanzeigen begleitet.

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