Analyse Der Mann mit der kurzen Lunte und das Pulverfass

Seoul (dpa) - Der Mann mit der kurzen Lunte kommt zum Pulverfass. Die Sorgen sind groß, wenn Donald Trump an diesem Dienstag seinen Besuch auf der koreanischen Halbinsel beginnt.

Analyse: Der Mann mit der kurzen Lunte und das Pulverfass
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Sorgen, dass er in Seoul den brandgefährlichen Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm weiter anheizt. Sorgen, dass Nordkorea die physische Nähe des verhassten US-Präsidenten in Südkoreas Hauptstadt nutzen wird, um mit einem neuen Waffentest klarzumachen: Ihr könnt uns mal, hier gibt niemand klein bei.

In Japan hatte Trump sich auffällig zurückhaltend gegeben. Ein Diplomat wird er nie, aber von „Feuer und Zorn“ für Pjöngjang oder „totaler Zerstörung“ des Landes war an der Seite des engen Verbündeten Shinzo Abe keine Rede, und auch vor Soldaten nicht. Trotz der leichten Zurückhaltung wird Tump in Südkorea aber nicht nur von freundlichen Gesichtern empfangen werden.

Vor der US-Botschaft in Seoul haben sich Gruppen zu Protesten gegen den Besuch in Stellung gebracht. Auf Plakaten wird Trump als „kriegsverrückt“ bezeichnet. Auf der anderen Straßenseite erklärt eine Koalition mit dem Namen „Gemeinschaft südkoreanischer Jugend“ den Gwanghwamun-Platz in der Innenstadt als „No Trump Zone“. Die Gruppen verlangen Friedensgespräche mit Nordkorea. Bei einer Gegendemonstration heißt der Verband koreanischer Patrioten Trump willkommen und fordert eine Stärkung der Allianz mit den USA.

Den mächtigen Mann aus Washington erwarten bange Fragen. Der rhetorische Schlagabtausch zwischen Trump und der international isolierten Führung unter Machthaber Kim Jong Un hat die schlimmsten Befürchtungen ausgelöst.

Nordkorea habe die amerikanischen Verhandlungsführer bisher nur vorgeführt, donnerte Trump Anfang Oktober: „Wir werden tun, was getan werden muss!“ Es sind auch Twitter-Beiträge wie dieser, die militärische Aktionen andeuten, die einem potenziellen Angriff Nordkoreas zuvorkommen sollen. Nordkorea rechtfertigt die atomare Rüstung mit einer angeblichen Bedrohung Washingtons. Der Aufbau einer Atomstreitmacht solle der Selbstverteidigung dienen.

Auch deswegen ist der Brief eines Konteradmirals aus dem Pentagon an US-Abgeordnete allseits mit größter Aufmerksamkeit registriert worden. Die einzige Möglichkeit, Nordkoreas Atomprogramm mit absoluter Sicherheit zu lokalisieren und zu zerstören, sei eine Invasion mit Bodentruppen, schrieb Michael J. Dumont aus dem Generalstab. Es werde dann Hunderttausende Tote geben. Also ungefähr das letzte, was alle Krisenbeteiligten sich derzeit vorstellen mögen. Pjöngjang werde auf eine Invasion massiv mit konventionellen, chemischen und biologischen Waffen antworten, schrieb Dumont.

Auch vor diesem Hintergrund wird Trump nicht in der ledernen Bomberjacke aufkreuzen, die ihm beim Besuch eines US-Stützpunktes in Japan geschenkt wurde. Er wird aber seine Linie klar machen: „Kein Diktator, kein Regime und kein Land sollte jemals Amerikas Entschlossenheit unterschätzen“, sagte er kurz vor seinem Besuch in Südkorea. Den Adressaten nannte er nicht. Musste er auch nicht.

Interessant wird, welche Strategie Trump für die USA in Seoul vorlegen will. Viele wünschen sich mehr Verbindlichkeit, können keinen klaren Kurs des Weißen Hauses erkennen. Abschreckung? Erstschlag? Vollständige Denuklearisierung? Diplomatie? Maximaler Druck? In Japan hatte Trump noch ein „Ende der strategischen Geduld“ betont. Trotzdem glauben viele Begleiter dieses jahrzehntealten Konflikts, dass genau das die einzige Lösung ist - wenn auch nur die am wenigsten schlechte.

„In Südkorea muss Trump Farbe bekennen“, sagte der langjährige Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Hartmut Koschyk (CSU), der Deutschen Presse-Agentur in Seoul. Auch er fragt, ob Trump „über ein schlüssiges Konzept verfügt, jenseits von martialischen Drohgebärden die Krise zu entspannen und zu lösen“?

Mit großer Spannung wird Trumps geplante Rede vor dem Parlament am Mittwoch erwartet. Vorher aber steht ein Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In an. Der Linksliberale will eigentlich an den Annäherungskurs der früheren liberalen Präsidenten Kim Dae Jung und Roh Moo Hyun anknüpfen. Seine Pläne haben allerdings die zahlreichen Raketentests Nordkoreas in diesem Jahr und der neuerliche Atomtest vom 3. September durchkreuzt.

Einen neuen Krieg auf der Halbinsel will Moon um jeden Preis verhindern. Dabei baut er auf eine starke Sicherheitsallianz mit den USA und harte Sanktionen gegen Pjöngjang. Auf der anderen Seite will er die Versicherung, dass die USA nicht alleine Militäraktionen starten. Erwartet wird, dass Trump vor allem mehr Druck der internationalen Gemeinschaft auf Pjöngjang einwerben will.

Verhandlungen könnten in Form direkter Gespräche zwischen den USA und Nordkorea stattfinden oder aber auch durch die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche (USA, Nordkorea, China, Russland, Südkorea, Japan), meinte Koschyk. Ob Trump aber neben Sanktionen überhaupt zu Verhandlungen bereit sei? Nach Trumps Reise wird man wohl genauer wissen, was in dieser Krise möglich ist, und wer wofür steht.

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