Beschäftigte klagen über immer mehr Stress im Job

Berlin (dpa) - Der Druck am Arbeitsplatz lässt nicht nach: Fast jeder Fünfte fühlt sich überfordert, 43 Prozent der Berufstätigen in Deutschland klagen über wachsenden Stress.

Das geht aus dem „Stressreport Deutschland 2012“ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hervor, der am Dienstag in Berlin vorgelegt wurde. Nette Kollegen und ein gutes Betriebsklima helfen demnach aber, große Belastungen zu bewältigen.

Für die Studie wurden bundesweit fast 18 000 Arbeitnehmer zu psychischen Anforderungen, Belastungen und Stressfolgen ihres Arbeitsalltags befragt. Ergebnis: Anforderungen und positive Aspekte im Berufsalltag haben sich seit 2005/2006 „auf hohem Niveau“ kaum verändert.

Der Studie zufolge sind Termin- und Leistungsdruck in Deutschland häufiger als im Durchschnitt der 27 EU-Länder. Jeder zweite Befragte (52 Prozent) hierzulande klagt darüber. Fast jeder Zweite (44 Prozent) wird bei der Arbeit durch Telefonate und E-Mails unterbrochen. Knapp 60 Prozent fühlen sich belastet durch Multitasking, dem Erledigen verschiedener Aufgaben gleichzeitig. Für 35 Prozent ist die Arbeitswoche länger als 40 Stunden, für 13 Prozent sogar länger als 48 Stunden.

26 Prozent der Befragten klagen darüber, dass sie keine Pausen machen können. Insgesamt 64 Prozent arbeiten auch samstags, 38 Prozent an Sonn- und Feiertagen. Für besonderen Stress sorgen immer neue Umstrukturierungen in der Firma: Sie erhöhen den Leistungsdruck, machten die Betroffenen nervös und gereizt. Besonders belastet sind dem Report zufolge Vorgesetzte. Dies erschwere zugleich eine gute Personalführung, sagte BAuA-Präsidentin Isabel Rothe.

Positiv aufs Betriebsklima wirkt sich aus, wenn die Arbeit im Team gut klappt. 80 Prozent der Befragten gaben an, Hilfe und Unterstützung von den Kollegen zu erhalten. Unterstützung vom Vorgesetzten lobten 59 Prozent.

Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) rief Arbeitgeber und Gewerkschaften auf, gemeinsam gegen Stress am Arbeitsplatz zu kämpfen. „Es besteht Handlungsbedarf in unseren Betrieben“, sagte sie bei einer Tagung zu Psychostress im Job am Dienstag. „Ohne die Sozialpartner geht es aber nicht.“

„Wir haben 2011 59 Millionen Arbeitsunfähigkeitstage wegen psychischer Erkrankungen registriert. Das ist ein Anstieg um mehr als 80 Prozent in den letzten 15 Jahren.“ Daraus ergäben sich Produktionsausfälle von sechs Milliarden Euro. „Es kostet richtig viel Geld.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund machte die Arbeitgeber für das vorläufige Scheitern der geplanten gemeinsamen Erklärung gegen Psychostress verantwortlich. Die Studie zeige, „dass Arbeit der Stressfaktor Nummer eins ist und psychische Belastungen bei der Arbeit dringend abgebaut werden müssen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Sie forderte eine Anti-Stress-Verordnung.

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt signalisierte weitere Gesprächsbereitschaft. Es schade aber der Sache, wenn die Debatte über psychische Gesundheit mit falschen Zahlen, verzerrenden Darstellungen und unberechtigten Vorwürfen geführt werde. Der Grund für den Anstieg festgestellter psychischer Erkrankungen liege vor allem in geänderten Diagnosen.

Nach den Worten von der Leyens sind die Arbeitgeber schon heute zur Prävention auch beim psychischen Arbeitsschutz gesetzlich verpflichtet: „Mit allen Sanktionen, mit allen Konsequenzen.“ Arbeitsschutz gebe es aber wegen der unterschiedlichen Betriebsbedingungen „nicht von der Stange“.

Stress im Job wird nach Einschätzung der IG Metall häufig von den Chefs verursacht. „Wir wissen, dass inkompetentes Führungsverhalten ein wichtiger Stressfaktor ist“, sagte Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban der Nachrichtenagentur dpa. „Vielfach fehlt den Vorgesetzten ein Gefühl dafür, dass der Aufgabenberg schon groß ist.“ Er forderte von der Leyen auf, für eine Anti-Stress-Verordnung aktiv zu werden.

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