Bahn tritt bei Stuttgart 21 auf die Bremse

Berlin/Stuttgart (dpa) - Nach dem Wahlerfolg von Grün-Rot in Baden-Württemberg hat die Bahn einen Baustopp für das umstrittene Milliardenprojekt Stuttgart 21 verhängt. Damit gibt der bundeseigene Konzern den Forderungen der Wahlsieger nach.

„Bis zur Konstituierung der neuen Landesregierung wird die Deutsche Bahn keine neuen Fakten schaffen - weder in baulicher Hinsicht noch bezüglich der Vergabe von Aufträgen“, sagte Bahnvorstand Volker Kefer am Dienstag in Berlin.

Die grün-rote Landesregierung unter dem voraussichtlichen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann soll im Mai gebildet werden. Nach Kefers Worten will die Bahn dann mit den Verantwortlichen Gespräche führen. Mit der neuen Landesregierung wolle man konstruktiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten, unterstrich der Bahnmanager. Grüne, SPD und Verkehrsclub Deutschland begrüßten die Ankündigung. Die CDU bekräftigte dagegen ihre Unterstützung für Stuttgart 21.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lobte: „Die Deutsche Bahn reagiert richtig, jetzt erstmal die neue Position ihres Vertragspartners bei diesem Projekt abzuwarten.“ Zugleich betonte er, der Bund werde seine Zusagen zur Beteiligung an großen Infrastrukturprojekten im Südwesten - neben Stuttgart 21 der Ausbau der Rheintalbahn und die Schnellbahntrasse Wendlingen-Ulm - „nicht einseitig aufkündigen“. Sollte die künftige Landesregierung Stuttgart 21 allerdings stoppen, müsse auch der Bund die Konsequenz ziehen. Der Bund ist bei Stuttgart 21 mit 1,2 Milliarden Euro dabei.

Ein Sprecher der scheidenden Stuttgarter Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) nannte die Entscheidung der Bahn nachvollziehbar. Schließlich werfe die Stimmenvielfalt bei Grünen und SPD viele Fragen auf. Der Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler (CDU) sagte der „Süddeutschen Zeitung“, der Baustopp ändere an dem von ihm vorgegebenen Prozedere nichts: „Der Stresstest und die übrigen bei der Schlichtung vereinbarten Maßnahmen bleiben davon unberührt.“

Seit gut einem Jahr baut die Bahn bereits an Stuttgart 21. Zuletzt stand sie kurz vor der Vergabe des Auftrags für den mehrere 100 Millionen Euro teuren Tunnel vom Stuttgarter Talkessel bis zum Flughafen. Ein Ausstieg aus dem Projekt würde nach dieser Vergabe erheblich teurer werden.

Kefer betonte, dass die Verträge für das 4,1 Milliarden Euro teure Projekt uneingeschränkt gelten. Vertragspartner der Bahn sei nach wie vor das Land, nicht die jeweilige Landesregierung. Auch Bund, Stadt Stuttgart, Flughafen und Regionalverband Stuttgart sind beteiligt.

Die Grünen kämpfen seit Jahren gegen die Umwandlung des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante Schnellbahntrasse nach Ulm. Die SPD ist zwar für das Projekt, strebt aber wie die Grünen eine Volksabstimmung an. Zunächst sollen die Ergebnisse der von Geißler vorgeschlagenen Computersimulation zur Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofes im Vergleich zum bestehenden Kopfbahnhof abgewartet werden. Nach Angaben der Bahn wird dies im Sommer sein.

Der Grünen-Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, wertete den Baustopp in der „Welt“ (Mittwoch) bereits als Ende des Vorhabens. Winfried Hermann (Grüne), Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses, sagte dem „Tagesspiegel“ (Mittwoch), das ursprünglich für Stuttgart 21 vorgesehene Geld solle in andere Projekte wie die Südbahn von Ulm nach Friedrichshafen und die Gäubahn von Stuttgart nach Singen gesteckt werden.

Der Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle in Stuttgart begrüßte die Ankündigung der Bahn als „guten ersten Schritt“: „Das war das mindeste, was ich erwartet habe.“ Doch die zeitliche Begrenzung bis zur Regierungsbildung sei falsch. Der Vergabestopp müsse bis zur Klärung aller Fragen gelten. SPD-Landeschef Nils Schmid sagte: „Es ist sinnvoll, dass die Bahn die weitere Entwicklung abwarten will.“ Er fügte hinzu: „Die SPD setzt weiterhin darauf, die Bürger über Stuttgart 21 entscheiden zu lassen.“

Werner Simmling von der FDP-Bundestagsfraktion nannte die Entscheidung der Bahn unternehmerisch nachvollziehbar, betonte aber: „Die Bahn darf nicht der Sündenbock für ideologische Grabenkämpfe der neuen Landesregierung werden. (...) Die Stadt, die Region und das Land brauchen dieses Infrastrukturprojekt.“

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