Athen bittet um weitere Hilfe - Eurogruppe will beraten

Athen/Brüssel/Berlin (dpa) - Dramatischer Poker im griechischen Schuldenstreit: Athen und Brüssel haben Last-Minute-Vorschläge auf den Tisch gelegt, um die gescheiterten Verhandlungen wiederzubeleben.

Athen bittet um weitere Hilfe - Eurogruppe will beraten
Foto: dpa

Für Mittwoch erwarten EU-Diplomaten neue Spar- und Reformvorschläge der linksgeführten Regierung in Athen. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem setzte deswegen eine weitere Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister für 11.30 Uhr an. Nach Informationen der „Welt“ erwägt Athen auch, die für Sonntag geplante Volksabstimmung unter der Bedingung abzusagen, dass es eine schnelle Übereinkunft mit der Eurogruppe gibt. Das habe Finanzminister Gianis Varoufakis seinen Kollegen gesagt.

Griechenland brachte am Dienstag ein neues, drittes Hilfsprogramm ins Spiel, das aus drei Elementen besteht: neuen Finanzhilfen im Umfang von rund 29 Milliarden Euro, einem Schuldenschnitt und einer kurzfristigen Verlängerung des in der Nacht zum Mittwoch auslaufenden Hilfsprogramms. In einer eilends einberufenen Telefonkonferenz der Eurogruppe blitzte Athen am Abend mit seinem Antrag zunächst ab.

Brüssel hatte Athen zuvor gedrängt, die Bedingungen der Geldgeber für das auslaufende zweite Hilfsprogramm doch noch in letzter Minute anzunehmen. An der aktuell höchst bedrohlichen Situation der griechischen Staatsfinanzen kann die Athener Bitte allerdings kurzfristig nichts mehr ändern.

Die Finanzminister der Eurostaaten kamen nach den Worten des finnischen Finanzministers Alexander Stubb zunächst zu dem Schluss, eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms und ein Schuldenschnitt seien nicht möglich. Eine Hilfsanfrage aus dem Euro-Rettungsfonds ESM würde zudem im üblichen Verfahren behandelt.

Ein neues Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM setzt neue Verhandlungen mit den Geldgebern voraus. Bisher gemachte Zusagen und Angebote wären hinfällig. Die Regierung aus der Linkspartei Syriza und der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen (Anel) hat bislang nicht dem von den Geldgebern geforderten Spar- und Reformmaßnahmen zugestimmt.

Damit sollte Dienstagnacht der bisherige Rettungsschirm eingeklappt werden, unter dem Griechenland seit dem Frühjahr 2010 vor der Pleite geschützt ist. Seither hat das Land Hilfszusagen von 240 Milliarden Euro erhalten. Ohne Einigung auf ein neues Reformpaket dürfen aber die noch offenen Hilfen aus dem internationalen Hilfsprogramm nicht gezahlt werden. Die Geldgeber -Internationaler Währungsfonds (IWF), Europäische Zentralbank (EZB) und die Euro-Partner in Europa - hatten zuletzt 15,5 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.

Im Schreiben von Ministerpräsident Alexis Tsipras, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, dass Athen die Hilfen ausschließlich zur Ablösung fälliger Schulden bis 2017 verwenden will. Demnach geht es um ein Volumen von 29,145 Milliarden Euro. Daneben bittet er darum, dass die bisherigen Schulden beim früheren Rettungsfonds EFSF restrukturiert werden. Ferner strebt Athen eine Brückenfinanzierung an.

Nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel wird Deutschland aber vor dem für Sonntag geplanten Referendum nicht über einen neuen Antrag Griechenlands beraten. Dies sagte sie vor dem Wirtschaftsflügel der Unionsfraktion im Bundestag. Aus Regierungskreisen erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, wenn der griechische Premier Alexis Tsipras die für Sonntag angesetzte Volksabstimmung jedoch absage, könne eine neue Lage entstehen und unter Umständen früher beraten werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte vor der Fraktion, mit dem Auslaufen des zweiten Hilfspakets gebe es eine völlig neue Situation auch bei den EZB-Nothilfen für die griechischen Banken. Schäuble habe EZB-Chef Mario Draghi vor einer Aufstockung der Nothilfen gewarnt, berichteten Teilnehmerkreise. Nach Angaben des österreichischen Notenbankchefs Ewald Nowotny wird die EZB am Mittwoch erneut über die Verlängerung der Nothilfen im Volumen von 90 Milliarden Euro diskutieren.

Die zum Dienstagabend fällige IWF-Rate von 1,54 Milliarden Euro will die griechische Regierung nicht zurückzahlen. Wie der stellvertretende Ministerpräsident Giannis Dragasakis im Fernsehsender ERT sagte, will Athen beim IWF einen Antrag auf Zahlungsaufschub bis November stellen. Gleichzeitig habe die Regierung in Athen klargemacht, dass sie grundsätzlich die fälligen IWF-Kredite bediene wolle, wie die „Bild“-Zeitung meldete. Ein IWF-Sprecher sagte dazu lediglich: „Kein Kommentar.“

Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) senkte mit Blick auf die Volksabstimmung die Kreditwürdigkeit des Landes. Damit sieht S&P nun eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsfall Griechenlands.

Tsipras hatte am Wochenende überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt. Daraufhin scheiterten am Samstag die Verhandlungen der Euro-Finanzminister mit Athen. Das hatte die Diskussion über einen „Grexit“ - also ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro - belebt. Ein Ausstieg oder Ausschluss aus dem Euro ist bisher aber juristisch nicht vorgesehen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort