Frauenpower ohne Biss? Anna Anzeliowitsch leitet Russlands Anti-Doping-Behörde

Moskau (dpa) - Russland setzt zur Abwehr der Vorwürfe von Staatsdoping auf Frauenpower. Viele männliche Funktionäre mussten gehen. Nun leitet Anna Anzeliowisch kommissarisch die russische Anti-Doping-Agentur Rusada, Marina Dikunez das derzeit stillgelegte Doping-Kontrolllabor in Moskau.

Frauenpower ohne Biss?: Anna Anzeliowitsch leitet Russlands Anti-Doping-Behörde
Foto: dpa

Bis Juli gab es im Sportministerium die Anti-Doping-Beraterin Natalia Schelanowa. Am bekanntesten: Jelena Issinbajewa, die Weltmeisterin und Olympiasiegerin im Stabhochsprung, hat sich an die Spite des Rusada-Aufsichtsrates wählen lassen.

Doch unklar bleibt, ob sie mehr als Aushängeschilder sind in der undurchsichtigen Sportpolitik Russlands. Können sie sich gegen altgediente Trainer und Sportfunktionäre durchsetzen? Anzeliowitsch scheint sich mit einem Interview mit der „New York Times“ vorgewagt zu haben. Sie wurde mit einer Art Eingeständnis der russischen Doping-Vertuschung zitiert. Doch prompt wurde sie von Kreml und Sportministerium zurückgepfiffen, sie selbst dementierte ihre Worte.

Über die neue Leiterin der Rusada ist auch nach einem Jahr im Amt nicht viel bekannt. Anzeliowitsch schloss 2005 die politikwissenschaftliche Fakultät einer Moskauer Hochschule ab. Sie wohnt in der russischen Hauptstadt und ist Richterin an einem Sportschiedsgericht. Es gibt ein Facebook-Profil mit einigen Fotos. Auf Twitter folgt sie nur ihrer eigenen Behörde und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA. Viele ihrer zehn Follower sind Sportjournalisten.

Nachfragen zu Alter und Karriere blockt Rusada ab. Auf der neuen Webseite werde es eine Biografie der Leiterin geben, aber die Seite sei noch in Arbeit. Anzeliowitsch ist nach eigenen Angaben seit 2010 bei Rusada. Als Generaldirektor Ramil Chabrijew im Dezember 2015 wegen der Doping-Vorwürfe abdankte, wurde die Abteilungsleiterin an die Spitze befördert.

Anzeliowitsch spricht gut Englisch. Deshalb ließ sie sich im Juni dieses Jahres in eine Werbeaktion einspannen, um die ausländische Presse zu gewinnen. Russland wollte damals in letzter Minute einen Ausschluss von den Olympischen Spielen in Rio abwenden.

„Wir verleugnen unsere Vergangenheit nicht“, sagte sie. Zugleich listete sie auf, was sich bei der international suspendierten Rusada alles geändert habe. Sie sah die Sportgroßmacht Russland zu Unrecht allein an den Pranger gestellt: „Das Doping-Problem beschränkt sich nicht auf Russland.“ In sowjetischem Zungenschlag nannte sie dopende Sportler „Verräter“, die dem Land schaden.

Ihr Interview in der „New York Times“ könnte ein Versuch gewesen sein, ausländischen Kritikern auf unterer Ebene ein Entgegenkommen zu signalisieren. Im Internet machten Beobachter eine „neue Linie“ aus. Doch für das russische Publikum wurden ihre Worte von einer „institutionellen Verschwörung“ sofort wieder kassiert.

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